Jürgen Flimm

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* 17.7.1941 Giessen (D). Bruder des Bühnenbildners Dieter F.

Studium der Theaterwissenschaft, Germanistik und Soziologie in Köln. 1968–72 Regieassistent an den Münchner Kammerspielen bei Schweikart und Kortner. 1971 Regiedebüt an den Wuppertaler Bühnen mit Kleists "Der zerbrochene Krug". 1972/73 Spielleiter am Nationaltheater Mannheim (Intendant: →Michael Hampe) und 1973/74 Oberspielleiter am Thalia Theater Hamburg, wo seine langjährige Zusammenarbeit mit dem Bühnenbildner Erich Wonder begann. Den Schwerpunkt seiner frühen Regiearbeiten bildete die literarische Moderne, so inszenierte er 1972 die Schweizer Erstaufführung von Fleißers "Fegefeuer in Ingolstadt" am →Theater am Neumarkt in Zürich. 1974–79 als freischaffender Regisseur tätig: 1973 Bernhards "Ein Fest für Boris" am Residenztheater München und 1977 Ionescos "Die Stühle" am Thalia Theater Hamburg. Der Durchbruch gelang ihm 1976 mit seinen Inszenierungen von Büchners "Dantons Tod" am Deutschen Schauspielhaus Hamburg und Isaak Babels "Marija" am Residenztheater München. Die Kritik zählte ihn zur neuen Generation der Regisseure, die das künftige deutschsprachige Theater prägen würden. 1978 erfolgreiches Debüt als Opernregisseur mit der deutschen Erstaufführung von Luigi Nonos "Al gran sole carico d’amore" an der Oper Frankfurt. 1979–85 leitete F. das Schauspiel Köln, bereits seine erste Inszenierung, Kleists "Das Käthchen von Heilbronn", wurde ans Berliner Theatertreffen eingeladen. Während seiner Intendanz übernahm er Gastregien am →Schauspielhaus Zürich: 1982 Lessings "Minna von Barnhelm"– das einen Skandal auslöste, weil F. das Stück radikal aktualisierte und "nach dem letzten grossen Krieg und vor dem nächsten" (F.) spielen liess – und 1984 dessen "Emilia Galotti". 1985–2000 war er Intendant des Thalia Theaters, wo 1985 Ibsens "Peer Gynt" und 1994 dessen "Wildente", 1989 Tschechows "Platonow" und 1995 "Onkel Wanja" sowie einige Shakespeare-Stücke zu seinen erfolgreichsten Inszenierungen gehörten. Unter F.s Intendanz wurde das Thalia Theater zu einer der renommiertesten Bühnen im deutschsprachigen Raum. Seit den neunziger Jahren führt F. vorrangig im Musiktheater Regie, häufig in Zusammenarbeit mit dem Dirigenten →Nikolaus Harnoncourt und dem Bühnenbildner Wonder, etwa am →Opernhaus Zürich 1992 Beethovens "Fidelio", 1994 Händels "Alcina", 1996–2000 ein Mozart-Zyklus, 1998 Offenbachs "La Périchole", 2000 Johann Strauß’ "Die Fledermaus" (Bühnenbild: Dieter F.), 2001 Schuberts "Alfonso und Estrella" und 2005 Monteverdis "L’incoronazione di Poppea". Zudem inszenierte er dort 1997 Verdis "La Traviata" und 1999 dessen "Un ballo in maschera". 2000 erregten F.s Inszenierungen von →Richard Wagners "Der Ring des Nibelungen" an den Bayreuther Festspielen und Beethovens "Fidelio" an der Metropolitan Opera in New York Aufsehen. 1999–2003 war er Präsident des Deutschen Bühnenvereins und 2000–04 Schauspieldirektor der Salzburger Festspiele. Seit Oktober 2004 leitet er die Ruhrtriennale. F. ist designierter Intendant der Salzburger Festspiele (Amtsantritt Oktober 2006). Er ist Mitglied der Akademien der Künste in Berlin, Frankfurt, Hamburg und München. F. war als Gastdozent in Harvard und New York, seit 1988 ist er Gastprofessor in Hamburg. Er verfasste das Buch "Theatergänger" (2004). Durch die klare Form seiner auf psychologische Motivierung wie auch Stilisierung angelegten Inszenierungen und seine konsequente Schauspielerführung gab F. dem Sprech- und Musiktheater wichtige Impulse.

Auszeichnungen

unter anderem

  • 1991 Medaille für Kunst und Wissenschaft der Freien und Hansestadt Hamburg,
  • 1992 Bundesverdienstkreuz,
  • 1995 Konrad-Wolf-Preis der Akademie der Künste Berlin,
  • 2000 Max-Brauer-Preis der Alfred Toepfer Stiftung Hamburg,
  • 2004 Österreichisches Ehrenkreuz für Wissenschaft und Kunst 1. Klasse.
  • Zahlreiche seiner Inszenierungen wurden ans Berliner Theatertreffen oder die Salzburger Festspiele eingeladen und mit dem Kritikerpreis der Zeitschrift "Theater heute" ausgezeichnet.

Literatur

  • … zum Augenblicke sagen, verweile doch! Bilder von Hermann und Clärchen Baus aus sechs Jahren Theaterarbeit für Köln unter der Leitung von Jürgen Flimm 1979 bis 1985, 1985.
  • Sucher, C. Bernd: Theaterzauberer, Bd. 2, 1990.
  • Bissinger, Manfred/Keller, Will (Hg.): Thalia Theater, Merian Sonderheft 1993.
  • Iden, Peter: J. F., 1996 [mit Inszenierungsverzeichnis].
  • Canaris, Volker/Otting, Ludwig von (Hg.): … vom Himmel durch die Welt zur Hölle! Bilder von Hermann und Clärchen Baus aus fünfzehn Jahren Arbeit am Thalia Theater unter der Leitung von J. F. 1985 bis 2000, 2000.


Autor: Ute Kröger



Bibliografische Angaben zu diesem Artikel:

Kröger, Ute: Jürgen Flimm, in: Kotte, Andreas (Hg.): Theaterlexikon der Schweiz, Chronos Verlag Zürich 2005, Band 1, S. 607–608.

Normdaten

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