Kursaal, Bern BE

Aus Theaterlexikon - CH
Version vom 26. August 2022, 17:08 Uhr von Theater4 (Diskussion | Beiträge) (1 Version importiert)
(Unterschied) ← Nächstältere Version | Aktuelle Version (Unterschied) | Nächstjüngere Version → (Unterschied)
Zur Navigation springen Zur Suche springen

Gastspielbetrieb

Der Kaufmann Emanuel Lanz-Moser erwarb 1858 eine Liegenschaft auf dem "Schänzli", eines Teils der ehemaligen Verteidigungsanlage der Stadt. Er liess eine Sommerwirtschaft erbauen (im Laubsägestil), die ein beliebter Ausflugsort im Grünen mit Sicht auf die Berner Alpen wurde. Ab 1869 betrieb er ein Sommertheater, das so genannte Schänzli-Theater. 1873 kaufte die Firma Ernst & Co. das Areal und liess unter anderem einen Saalanbau mit Bühne sowie einen Musikpavillon errichten. Das Theater wurde anfänglich im Mai und Juni von wandernden Schauspielergesellschaften bespielt, später bis maximal Ende September. Wie im gesamten deutschsprachigen Raum bestand das Repertoire dieses Sommertheaters aus leichteren Musiktheater- und Sprechtheaterproduktionen. Das Lustspiel in all seinen Formen dominierte den Spielplan, Opern, Operetten und Singspiele nahmen ebenfalls einen grossen Anteil der Vorstellungen ein. Die Sommertheater ermöglichten es den Schauspielergesellschaften, die anfangs des 19. Jahrhunderts übliche Spielzeit von vier Monaten (in Ausnahme und gegen Ende des Jahrhunderts generell länger, maximal sieben Monaten) in einer Stadt zu verlängern. In Bern bedeutete dies, dass die für die Winterspielzeit verpflichteten Direktoren des →Stadttheaters Bern daran interessiert waren, im Sommer das Schänzli-Theater zu leiten. Ein Beispiel ist →Carl Friedrich Heuberger, der dem "Schänzli" 1871–77 (ausser 1874) und 1875–77 gleichzeitig dem Stadttheater Bern vorstand. Gleiches gilt für die Direktoren Emil Vaupel, Georg Richard Kruse und Ludwig Flehner, die in den achtziger und neunziger Jahren beziehungsweise zur Jahrhundertwende zeitweise beide Theater bespielten. Am 20.2.1903 gründeten einige Hoteliers und Geschäftsleute die "Kursaal- & Sommerkasino-Gesellschaft Schänzli". Die Gesellschaft pachtete die Liegenschaft, führte den bestehenden Betrieb weiter und ging später zum Jahresbetrieb über. Gleichzeitig nahm sie den Casinobetrieb auf. Am 17.4.1910 erwarb die Gesellschaft die Liegenschaft und liess sie umbauen, nur der alte Theatersaal blieb bestehen. Am 16.5.1914 wurde der neue K. wiedereröffnet. In den folgenden Jahren fanden neben Theateraufführungen regelmässig Konzerte des Berner Stadt-Orchesters statt; ab 1916/17 nutzte das →Berner-Heimatschutztheater den alten Theatersaal für ihre Aufführungen; auch nach der Sanierung 1933 blieb er bis Ende der sechziger Jahre die permanente Spielstätte der Gruppe. In den zwanziger Jahren bespielte Direktor Leander Hauser mit Mitgliedern des Berner Stadttheaters für einige Sommerspielzeiten das K., 1925 nahm die Radiostation "Radio Bern" dort ihren Betrieb auf und sendete Ende der zwanziger bis Anfang der dreissiger Jahre regelmässig Konzerte des Kursaal­orchesters unter der Leitung von Christoph Lertz. In den folgenden Jahren traten ausser dem Berner Heimatschutz-Theater nur noch selten Schauspiel- und Ballettensembles auf. Trotz der schwierigen finanziellen Situation beschloss der Verwaltungsrat, den alten Theatersaal durch den neuen Leuchtersaal zu ersetzen. Am 9.11.1933 wurde der Theaterbetrieb im Neubau aufgenommen, welcher unter anderem bis 1935 durch das Stadttheater Bern bespielt wurde. Während des Zweiten Weltkriegs wurde der Betrieb im K. weitergeführt und zog zunehmend eine neue Gästegruppe an: Vertreter von Firmen und Verbänden besuchten unter anderem Gastspiele von Hans Albers, Heinz Rühmann, →Schaggi Streuli und →Alfred Rasser. Ab Mitte der fünfziger Jahre fanden auch internationale Tanz- und Musikgastspiele, beispielsweise aus Polen, Rumänien, Ungarn, den USA, Japan und China, statt. Da die Bühne für die damals auftretenden Schauorchester und Artisten zu klein wurde, wurde 1959 ein neuer Konzertsaal mit zwei Hebebühnen eröffnet. Während der sechziger und siebziger Jahre wandelte sich der K. zum nationalen und internationalen Kongresszentrum. Daher wurde 1973 die bisherige Firmenbezeichnung "Kursaal Bern AG" in "Kongress + Kursaal Bern AG" geändert. Seitdem werden hauptsächlich bekannte Musik- und Tanztheaterproduktionen gezeigt, darunter Gastspiele des Wiener Ballett-Theaters (Tschaikowskys "Schwanensee") und der Broadway Musical Company New York (Bernsteins "West Side Story"). Daneben prägen Operetten und Galashows den Spielplan. Ab Mitte der sechziger Jahre bis 2001 führte Edith Langer-Tolnay mit ihrer Märchenbühne jährlich ein Weihnachtsmärchen für Kinder auf. Seit 1975 findet zudem das Internationale Jazzfestival im K. statt. Im Rahmen des neuen Betriebskonzepts wurde am 1.10.1998 das Hotel "Allegro" eröffnet. Seit 2002 lautet der offizielle Name des Gebäudekomplexes "Allegro Grand Casino Kursaal Bern".

Spielstätte

Kornhausstrasse 3, 3000 Bern 25. Architekten: Bardy + Conod. Eröffnung: Sommer 1869. 1873/74: Musikpavillon, Halle (700 Plätze) und Gartensitzplätze; Stützmauer am Aaretalhang zur Erweiterung der Terrasse und Saalanbau (alter Theatersaal mit 500 Plätzen) erbaut. 1914 Konzertsaal-Trakt mit Liftturm und verglaste Konzerthalle erbaut. 1933 Abbruch des alten Theatersaals und Bau des Leuchtersaals mit Galerie (maximal 863 Plätze). 1946 Vergrösserung der Konzerthalle. 1959 neuer Konzertsaal mit Galerie erbaut (maximal 1464 Plätze, ovale Bühne: 102 m2, zwei Hebebühnen). 1980 Modernisierung des Konzertsaal-Trakts. 1989 Umbau des Foyers und Abschluss der Renovation des Leuchtersaals.

Literatur

  • Marti, Hans: Die Kursaal-Story, 1990.
  • Gojan, Simone: Spielstätten der Schweiz, 1998.
  • Gojan, Simone: "Also habe ich nichts als – die Liebe des Berner Publicums."Professionelles Theater in Bern vor 125 Jahren. In: Koslowski, Stefan/Kotte, Andreas/Sorg, Reto (Hg.): Theater. Berner Almanach, Bd. 3, 2000.


Autorin: Eveline Gfeller



Bibliografische Angaben zu diesem Artikel:

Gfeller, Eveline: Kursaal, Bern BE, in: Kotte, Andreas (Hg.): Theaterlexikon der Schweiz, Chronos Verlag Zürich 2005, Band 2, S. 1057–1058.