Peter Stein: Unterschied zwischen den Versionen

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Aktuelle Version vom 26. August 2022, 17:10 Uhr

* 1.10.1937 Berlin (D).

Nach dem Studium der Germanistik und Kunstgeschichte war S. 1964/65 an den Münchner Kammerspielen unter August Everding als Dramaturgie- und Regieassistent tätig (unter anderem bei Fritz Kortner und Hans Schweikart). 1967 debütierte er dort mit der Aufsehen erregenden deutschen Erstaufführung von Edward Bonds "Gerettet". Es folgten 1968 →Bertolt Brechts "Im Dickicht der Städte" und 1969 Peter Weiss’ "Viet Nam Diskurs", der S. die Kündigung eintrug, weil er im Anschluss an die Vorstellung Geld für die vietnamesische Befreiungsfront sammeln wollte. Daneben inszenierte er am Theater der Freien Hansestadt Bremen 1967 Schillers "Kabale und Liebe" und 1969 Goethes "Torquato Tasso" (mit →Bruno Ganz in der Titelrolle). 1969 wurden er und einige Schauspieler, mit denen er bereits zusammengearbeitet hatte, von →Peter Löffler ans →Schauspielhaus Zürich engagiert. Dort inszenierte S. 1969 die deutschsprachige Erstaufführung von Bonds "Early Morning", Sean O’Caseys "Kikeriki" (Koregie: Ulrich Heising/S.) und 1970 Thomas Middleton/William Rowleys "Changeling". Die Bond-Inszenierung, die zum Berliner Theatertreffen 1970 eingeladen wurde, polarisierte das Publikum und eröffnete eine Debatte über Löfflers Spielplankonzept. Interne Spannungen, unter anderem ausgelöst durch S.s Lancierung eines Mitbestimmungsmodells, heizten die Auseinandersetzungen zusätzlich an, und bereits im Dezember 1969 führte dies zur vorzeitigen Entlassung der künstlerischen Direktion und der neu engagierten Ensemblemitglieder auf Ende der Spielzeit. Ab 1970 gehörte S. zunächst als Oberspielleiter, seit 1973 als künstlerischer Leiter zum neu formierten Leitungsteam der Schaubühne am Halleschen Ufer in Berlin, zusammen mit den früheren Leitern Jürgen Schitthelm, Dieter Sturm (Dramaturg) und Klaus Weiffenbach (Bühnenbildner) und dem ebenfalls neu dazugestossenen Regisseur Claus Peymann (bis 1971). In diesen und den folgenden Jahren wurde die Schaubühne, geleitet als Mitbestimmungstheater, zu einer der meistbeachteten Bühnen Deutschlands. S. pflegte mit einigen Schauspielerinnen und Schauspielern eine langjährige Zusammenarbeit, die teilweise bereits in München, Bremen oder Zürich begonnen hatte, beispielsweise mit Edith Clever, Ganz, Corinna Kirchhoff, Michael König, Jutta Lampe, Otto Sander und Udo Samel. Der Bühnenbildner Karl-Ernst Herrmann, den S. aus München kannte, entwarf zahlreiche Ausstattungen für ihn. 1970–75 war Botho Strauß wiederholt als Produktionsdramaturg an S.s Inszenierungen beteiligt. S. inszenierte unter anderem 1971 Ibsens "Peer Gynt" (Bearbeitung: S./Strauß, auf zwei Abende verteilt), 1972 Wsewolod Wischnewskijs Revolutionsstück "Optimistische Tragödie", 1974 "Übungen für Schauspieler" (im Rahmen von "Antikenprojekt I" im Philips-Pavillon auf dem Berliner Messegelände), Gorkis "Sommergäste" (Textfassung: S./Strauß), 1978 die Uraufführung von Strauß’ "Gross und klein" (im CCC-Filmstudio in Spandau), 1980 "Die Orestie des Aischylos" als "Antikenprojekt II" (Übertragung aus dem Griechischen: S.). In den siebziger Jahren verstand S. seine Theaterarbeit vor allem politisch. Später verfolgte S. zunehmend eine psychologisch genaue Interpretation der dramatischen Vorlage. Nach dem Umzug der Schaubühne 1980 an den Lehniner Platz inszenierte S. unter anderem 1981 die deutschsprachige Erstaufführung von Nigel Williams’ "Klassen Feind", 1987 Racines "Phädra", 1989 Tschechows "Der Kirschgarten" und 1990 die Uraufführung von Bernard-Marie Koltès’ "Roberto Zucco". Gegen zwanzig von S.s Inszenierungen wurden zum Berliner Theatertreffen eingeladen, viele international als Gastspiele gezeigt (beispielsweise lud →Christoph Vitali im Februar 1972, ein Jahr nachdem das Schauspielhaus S. entlassen hatte, im Rahmen der Reihe →Theater 11 "Peer Gynt" nach Zürich ein, später folgte unter anderem Gorkis "Sommergäste"). 1985 gab S. seine Leitungsfunktion an der Schaubühne auf, blieb dem Haus jedoch als Gastregisseur treu, bis es 1993 wegen Unstimmigkeiten über sein gigantisches "Faust"-Projekt zum Bruch kam. 1991–97 war er unter der Intendanz von Gérard Mortier Schauspieldirektor der Salzburger Festspiele, wo er selbst unter anderem 1992 Shakespeares "Julius Caesar" und 1996 Raimunds "Der Alpenkönig und der Menschenfeind" inszenierte. S.s Projekte nahmen immer grössere Dimensionen an. Mittler­weile betätigte er sich auch international als Schauspiel- sowie als Opernregisseur. Nachdem er bereits 1976 an der Pariser Oper →Richard Wagners "Das Rheingold" inszeniert hatte, folgten unter anderem an der Welsh National Opera in Cardiff 1986 Verdis "Otello", 1992 Debussys "Pelléas et Mélisande" und 1999 Brittens "Peter Grimes", an den Salzburger Osterfestspielen 1997 Bergs "Wozzeck" und 2002 Wagners "Parsifal". Als Schauspielregisseur inszenierte er in Rom (wohin er seinen Wohnsitz verlegte) 1989 Shakespeares "Titus Andronicus" und 1996 Tschechows "Onkel Wanja", in Moskau 1994 "Die Orestie des Aischylos" (als Neueinstudierung) und 1998 Shakespeares "Hamlet", in Wien am Theater in der Josefstadt 1998 die Uraufführung von Strauß’ "Die Ähnlichen" (im Rahmen der Wiener Festwochen), an der Weltausstellung Expo 2000 in Hannover die von ihm lange geplante, integrale Aufführung von Goethes "Faust I und II" (in 21 Stunden, 2001 Gastspiele in der Arena Berlin und im Kabelwerk Wien), 2001 in Berlin in der Arena Strauß’ "Der Narr und seine Frau heute abend in ‹Pancomedia›", im griechischen Amphitheater von Epidauros 2002 Kleists "Penthesilea". 1996 wurde S. als Lektor für Schauspiel an die Berliner Hochschule der Künste (heute: Universität der Künste) berufen.

Auszeichnungen

unter anderem

  • 1976 Schillerpreis der Stadt Mannheim,
  • 1976 Preis der Pariser Theaterkritiker,
  • 1988 Goethe-Preis der Stadt Frankfurt,
  • 1993 Erasmus-Preis und
  • 1996 Fritz-Kortner-Preis der Zeitschrift "Theater heute".

Literatur

  • Schaubühne am Lehniner Platz (Hg.): Schaubühne am Halleschen Ufer, am Lehniner Platz 1962–1987, 1987 [Dokumentation aller Inszenierungen].
  • Kröger, Ute/Exinger, Peter: "In welchen Zeiten leben wir!"Das Schauspielhaus Zürich 1938–1998, 1998.
  • Müller, Harald et al. (Hg.): 40 Jahre Schaubühne Berlin, 2002.


Autor: Dominique Spirgi



Bibliografische Angaben zu diesem Artikel:

Sprigi, Dominique: Peter Stein, in: Kotte, Andreas (Hg.): Theaterlexikon der Schweiz, Chronos Verlag Zürich 2005, Band 3, S. 1744–1745.

Normdaten

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