Ulrich Bräker

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* 22.12.1735 Näppis/Näbis (Gemeinde Wattwil) SG, † 11.9.1798 (Beisetzung) Wattwil SG, auch Brägger.

Als Sohn eines Tagelöhners, Kleinbauern und Salpetersieders schon früh zur Mitarbeit im Kreis der pietistisch-frommen Familie herangezogen. Sporadischer Schulunterricht in der Winterzeit. 1755 wurde B. Söldner im preussischen Heer, desertierte aber während der Schlacht von Lobositz (1756). In Wattwil begann er einen Garnhandel, heiratete 1761, erlebte jedoch in Geschäft und Ehe dauernde Krisen (1798 geschäftlicher Bankrott). Von 1770 bis zu seinem Tod führte er ein Tagebuch, das insgesamt über 3500 Seiten umfasst und als wichtige kulturhistorische Quelle gilt. 1776 trotz Herkunft aus der Unterschicht Aufnahme in die Reformierte Toggenburgische Moralische Gesellschaft in Lichtensteig. Literarische Förderung wurde B. durch den Lehrer und nachmaligen Dramatiker →Johann Ludwig Am Bühl und den Pfarrer Martin Imhof zuteil, so dass 1789 bei Johann Heinrich Füssli in Zürich seine autobiografische "Lebensgeschichte und Natürliche Ebentheuer des Armen Mannes im Tockenburg" erschien. Im Umkreis der Moralischen Gesellschaft entdeckte B. den Dramatiker Shakespeare für sich, den er seit 1777 in der in Zürich erschienenen Übersetzung von Johann Joachim Eschenburg las und daraufhin 1780 unter dem Titel "Etwas über William Shakespears Schauspiele. Von einem armen ungelehrten Weltbürger, der das Glück genoss, ihn zu lesen" Betrachtungen über 36 Stücke von Shakespeare niederschrieb. "Das Shakespeare-Büchlein" erschien erstmals 1852 und dann 1877 im Jahrbuch der Deutschen Shakespeare-Gesellschaft. Mit seiner Komödie "Die Gerichtsnacht oder Was ihr wollt" (1780), die er im Toggenburger Bauernmilieu ansiedelte, versuchte B. erfolglos, sich in Shakespeares Nachfolge zu stellen – erst 1977 fand am →Stadttheater St. Gallen die Uraufführung statt (Bearbeitung und Regie: Joachim Engel-Denis). 1998 wurde das Stück in Lichtensteig anlässlich des 200. Todesjahrs des Verfassers im so genannten Bräker’s Globe, in einem dem Globe Theatre nachempfundenen und von Toggenburger Zimmerleuten gebauten Galerietheater, gespielt (Bearbeitung und Regie: Nikolaus Windisch-Spoerk). Texte und Person B.s waren ausserdem Gegenstand mehrerer dramatischer Produktionen, darunter 1978 →Herbert Meiers Komödie "Bräker", 1988 →René Peiers Produktion "Jauss der Liebesritter" und 1998 →Hannes Glarners Hörspiel "Liebesritter Jauss".

Literatur

  • Thürer, Georg: Der arme Mann aus dem Toggenburg begegnet Shakespeare. In: Stadler, Edmund (Hg.): Shakespeare und die Schweiz, 1964.
  • Chronik U. B. auf der Grundlage der Tagebücher 1770–1798, zusammengestellt und herausgegeben von Christian Holliger et al., 1985.
  • Böning, Holger: U. B., 1998.


Autor: Dietrich Seybold



Bibliografische Angaben zu diesem Artikel:

Dietrich, Seybold: Ulrich Bräker, in: Kotte, Andreas (Hg.): Theaterlexikon der Schweiz, Chronos Verlag Zürich 2005, Band 1, S. 259–260.

Normdaten

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