Bruderschaft zur Dornenkrone

Aus Theaterlexikon - CH
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Fraternitet der Bekrönung unseres Herrn

Die Anfänge der Luzerner B. sind nicht vollständig geklärt, gemäss Angaben des Stadtschreibers und Spielleiters →Renward Cysat wurde sie von "gottsäligen Burgern" um 1470 gegründet, wobei die vorher bestehende Bruderschaft St. Petri aufgelöst und in die neue Gesellschaft überführt wurde. Die ersten Satzungen der B. entstanden 1495 im Anschluss an das Spiel vom "Lyden vnsers herren" und bestimmten, dass alle fünf Jahre zum Gedächtnis der fünf Wunden Christi ein Spiel veranstaltet werden solle. An der Spitze der B. standen ein geistlicher und ein weltlicher Pfleger. Die B. stand Männern und Frauen offen, an den Spielen durften sich jedoch nur männliche Rollenträger beteiligen. Zwischen 1492 und 1502 zählte die B. gegen 400 Mitglieder. Neben einfachen Bürgern und ihren Gattinnen gehörten ihr die meisten Pröbste zu St. Leodegar, Chorherren, Leutpriester, Schulmeister, Staatsmänner, Söldnerführer, Stadtschreiber und Künstler an. Die B. trug die geistige und organisatorische Verantwortung der Luzerner Spiele, finanziell beteiligte sie sich nur in bescheidenem Ausmass, für die Hauptkosten (szenische Einrichtungen, Zuschauertribüne, fremde Spielleute, Bewirtung der Gäste und Musikanten) kam der Rat auf. Auf Initiative der B. wurde jeweils eine Versammlung abgehalten, an der auch Angehörige der Barbara- und anderer Bruderschaften teilnahmen, um aus ihren Reihen eine Abordnung zu wählen. Diesem Spielkomitee oblag es, genauere Vorschläge zur Ausgestaltung des Spiels auszuarbeiten und den Luzerner Rat um Spielerlaubnis zu ersuchen. Der Rat stellte diesem Ausschuss vier Abgeordnete aus seiner Mitte zur Seite, die als staatliche Aufsichtskommission amteten. Der Regent (Spielleiter) wurde von der Bruderschaft vorgeschlagen und vom Rat ernannt. Die zahlreichen Bruderschaftsprotokolle geben Auskunft über die Verhandlungen mit dem jeweils verantwortlichen Spielleiter, etwa über Vorschläge zur Veränderung des Textes, über Musikeinlagen oder den Zeitpunkt der Aufführung. Nach der Fertigstellung der Textrodel und Spielerverzeichnisse konnten sich die Mitglieder der B. beim Ausschuss um die Rollen bewerben. Die eingeschriebenen "Spilsgenossen" oder "Agenten" bildeten nun die "gemeine Gesellschaft", die unter der Leitung des Ausschusses und der Ratsdeputation das Spiel realisierte. Die B. war aber nicht nur die Trägerschaft der berühmten Passionsspiele, die ab 1538 nur noch in etwa zehnjährigem Abstand stattfanden, sondern zeichnete auch verantwortlich für die Aufführung von →Fastnacht- und Heiligenspielen. Nach dem letzten →Osterspiele von 1616 und dem Tod des bedeutenden Spielleiters Renward Cysat erlahmte die Aktivität der B. Hauptgrund war die Konkurrenz durch das Jesuitentheater, das von der nun deutlicher ausgeprägten Luzerner Aristokratie gefördert wurde. Obgleich die B. noch im 17. Jahrhundert Spiele auf dem Mühlenplatz aufführte, konnte sie sich gegenüber den Jesuiten nicht behaupten. 1636 musste sie die Verwaltung ihres Vermögens der staatlichen Obrigkeit überlassen, die fortan der Jesuitenbühne Zuwendungen zukommen liess. Zwar wurde der Fonds noch für traditionelle Bruderschaftsauslagen (Messen an Jahrzeiten, Unterhalt der Bruderschaftsaltäre und dergleichen) verwendet, doch vom Rat zunehmend auch für andere religiöse und weltliche Zwecke eingesetzt. Zu Beginn des 20. Jahrhunderts wurde die Tradition der B. unter anderem durch →Oskar Eberle wiederbelebt.

Literatur

  • Dommann, Hans: Die Luzerner Bekrönungsbruderschaft als religiöse Spielgemeinde. In: Geistliche Spiele, 1931.
  • Evans, Marshall Blakemore: Das Osterspiel von Luzern, 1961.


Autorin: Heidy Greco-Kaufmann



Bibliografische Angaben zu diesem Artikel:

Greco-Kaufmann, Heidy: Bruderschaft zur Dornenkrone, in: Kotte, Andreas (Hg.): Theaterlexikon der Schweiz, Chronos Verlag Zürich 2005, Band 1, S. 276.