Gottfried Keller

Aus Theaterlexikon - CH
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* 19.7.1819 Zürich, † 15.7.1890 Zürich.

K. besuchte die Armenschule, ein Landknabeninstitut und die kantonale Industrieschule in Zürich, aus der er 1834 wegen eines disziplinarischen Vergehens ausgeschlossen wurde. Etwa vom dreizehnten Lebensjahr an verfolgte K. dramatische Projekte. Zunächst verfasste er Vorlagen für das gemeinsame Puppenspiel mit Kameraden, wofür er historische Stoffe sowie Motive der Schauerromantik aufgriff ("Der Hexenbund", "Fridolin oder Der Gang nach dem Eisenhammer", "Der Tod Albrechts, des römischen Kaisers"). Ab Herbst 1834 war K. Lehrling des Vedutenmalers und Lithografen Peter Steiger. 1837–38 Unterricht beim Maler Rudolf Meyer. Daneben entwarf K. als Achtzehnjähriger nach dem Vorbild von Lessings "Emilia Galotti" das Stück "Der Freund". 1840–42 Aufenthalt in München zur weiteren künstlerischen Ausbildung als Maler, dann Rückkehr nach Zürich, Kontakte zu deutschen Emigrantenkreisen und 1843 Beginn der lyrischen Produktion. Gleichzeitig schuf K. Skizzen zu zwei Versdramen politischen Inhalts, die postum unter den Titeln "Die Flüchtlinge" und "Ein vaterländischer Schwank" publiziert wurden. 1844–45 beteiligte er sich an den zwei Freischarenzügen. 1846 erschien in Heidelberg der Band "Gedichte", der den allmählichen Wechsel von der Malerei zur Literatur markierte. Unter Staatsschreiber Alfred Escher volontierte K. 1847 kurzzeitig an der Zürcher Staatskanzlei und erhielt 1848 ein Regierungsstipendium zum Studium in Heidelberg. Beginn der Freundschaft mit dem Philosophen Ludwig Feuerbach und dem Kunst- und Literaturhistoriker Hermann Hettner. Weiterhin Pläne für Dramen, von denen sich K. öffentliche Wirkung und finanziellen Erfolg erhoffte ("Der Sonderbund"). Ab 1850 hielt sich K. in Berlin auf, wo er Aufführungen von Stücken Shakespeares, Goethes, Schillers und französischer Lustspieldichter beiwohnte und sich im Briefwechsel mit Hettner über dramentheoretische Themen austauschte, so über die "politische Komödie", das Volkstheater und den Einbezug von Pantomime, Tanz und Musik ins Drama. Einige Briefe K.s übernahm Hettner in seine dramaturgische Programmschrift "Das moderne Drama" (1852). 1854 erschienen die ersten Bände des autobiografischen Bildungsromans "Der grüne Heinrich" (1. Fassung 1854–55, 2. Fassung 1879–80), die K. als herausragenden Erzähler des Realismus auswiesen; mit seinen Hauptwerken "Die Leute von Seldwyla" (1856), "Züricher Novellen" (1878), "Das Sinngedicht" (1881) und "Martin Salander" (1886) knüpfte K. später daran an. In Berlin setzte K. die Arbeit an dem schon in Heidelberg begonnenen, 1849 detailliert konzipierten Trauerspiel "Therese" fort, das jedoch Fragment blieb und als solches 1893, 1908 und 1919 in Zürich zur Aufführung kam. Ferner plante K. zwei "politische Lustspiele" ("Die Roten", "Jedem das Seine"), Historiendramen (darunter eine "Agnes Bernauerin") und Dramatisierungen von Erzählungen →Jeremias Gotthelfs. Seinem Biografen Jakob Baechtold zufolge erwog er auch die Gestaltung eines Stoffs als Opernlibretto. 1855 kehrte K. nach Zürich zurück, blieb zunächst ohne Amt und Einkommen, wurde aber 1861 zum ersten Staatsschreiber des Kantons Zürich gewählt. Zeitweilig hatte er Umgang mit →Richard Wagner. 1859 verfasste K. einen Prolog zur Schiller-Feier in Bern. Sich auch auf die Ästhetik Wagners beziehend, formulierte er im Aufsatz "Am Mythenstein" (1861) die Vision eines nationalen Festspielhauses. 1864 schrieb er einen Prolog zur Eröffnung eines Theaters in Zürich. Ausserdem Wiederaufnahme älterer Dramenprojekte ("Savonarola"). Ungeachtet seiner Erfolge als Epiker und Lyriker hielt K. vergeblich daran fest, sich auch in der dramatischen Gattung zu bewähren. Die einzige Aufführung eines dramatischen Werks zu Lebzeiten fand am 15.11.1875 statt: Anlässlich der Becherweihe der Zürcher Zunftgesellschaft zur Schmieden kam das kleine Festspiel "Die Johannisnacht", eine historische Szenenfolge, zur Aufführung. 1876 demissionierte K. als Staatsschreiber. In den Jahren danach plante er noch mehrere Lustspiele. Die Absicht, frühere dramatische Entwürfe in Erzählform umzuarbeiten, sie "als Novellen einzupökeln", verwirklichte K. nicht mehr. Im Roman "Der grüne Heinrich", in der Schilderung einer Aufführung des "Wilhelm Tell" nach Schiller, stellte K. ein Volkstheater festlichen Charakters, das in der Vergegenwärtigung nationaler Tradition Gemeinschaft stiften soll, literarisch-episch dar. In zuletzt satirischer Absicht verwendete K. das Motiv des Festspiels auch im Roman "Martin Salander".

Auszeichnungen

  • 1869 Ehrendoktorat der Universität Zürich,
  • 1878 Ehrenbürgerschaft der Stadt Zürich.

Literatur

  • Saxer, Johann Ulrich: G. K.s Bemühungen um das Theater, Dissertation Zürich, 1957.
  • Weber-Kellermann, Ingeborg: Volkstheater und Nationalfestspiel bei G. K. In: Deutsches Jahrbuch für Volkskunde 3/1957.
  • Schweizer, Urs: Feier des Festes. Das Fest in der Dichtung G. K.s, Dissertation Zürich, 1973.
  • Morgenthaler, Walter et al. (Hg.): Nachgelassene Prosa und Dramenfragmente, Historisch-Kritische G. K.-Ausgabe, Bd. 31 (Apparat zu Bd. 18), 2003.

Nachlass

  • Zentralbibliothek Zürich.


Autor: Dietrich Seybold



Bibliografische Angaben zu diesem Artikel:

Seybold, Dietrich: Gottfried Keller, in: Kotte, Andreas (Hg.): Theaterlexikon der Schweiz, Chronos Verlag Zürich 2005, Band 2, S. 978–979.

Normdaten

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