Jo Mihaly

Aus Theaterlexikon - CH
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* 25.4.1902 Schneidemühl (Piła, heute: PL), †  29.3.1989 Seeshaupt (D), eigentlich Elfriede Alice Kuhr. Tochter des Architekten Richard Kuhr und der Musikerin Margarete Golz. ­∞ →Leonard Steckel, Schauspieler und Regisseur. Mutter der Schauspielerin Anja Steckel (verheiratete Ott, Pseudonym: Anja Golz).

Ab 1920 in Berlin Gesangs- und Ballettunterricht, später Tanzausbildung bei →Berthe Trümpy. Mitglied des Haas-Heye-Balletts, Deutschlandtourneen, Auftritte im Varieté und Zirkus. 1926/27 Engagement als Tänzerin an den Vereinigten Städtischen Bühnen Beuthen-Gleiwitz-Hindenburg. Erste Choreografien, Libretti. 1927 Auftritt als Anführerin der Elfen in Shakespeares "Ein Sommernachtstraum" an der Volksbühne in Berlin, wo Steckel in den Rollen Flaut und Thisbe auftrat. Ab 1928 Karriere als Ausdruckstänzerin und Schriftstellerin. Für M. war Kunst stets Ausdruck ihres politischen Engagements, ihrer Solidarisierung mit Aussenseitern, wie unter anderem der 1930 in Deutschland erschienene und dann verbotene Roman "Michael Arpad und sein Kind. Ein Kinderschicksal auf der Landstrasse" bezeugt. Auch ihre pantomimischen, "epischen" Tänze, die sie in Deutschland, später in der Schweiz und anderen Ländern zeigte, richteten sich gegen Ausbeutung, Unterdrückung und Faschismus, traten für die Menschenwürde ein, wie "Mütter", "Verfolgung der Juden", "Arbeiter und Aufbau", "Der Talmudschüler" und "Judith erschlägt den Tyrannen Holofernes". 1933 emigrierte M. mit ihrer Familie nach Zürich. Dort schrieb sie zuerst ohne Arbeitsbewilligung unter mehreren Pseudonymen (beispielsweise J. Josias, Francesco Moletta) für Schweizer Zeitungen, unter anderem für die "Neue Zürcher Zeitung" und den Zürcher "Tages-Anzeiger". Bis 1945 sporadisch Tanzauftritte, in den dreissiger Jahren unter anderem gemeinsam mit dem Sänger Ernst Busch im Volkshaus Zürich, beispielsweise mit "Indianische Baumwollpflückerin", "Vision eines Krieges" und "Der Knecht, als er einen Acker bekam" oder in eigenen Tanzabenden unter anderem mit "Blume im Hinterhof" und "Fische fürs Volk". 1934 übernahm M. die Leitung des von →Otto Zimmermann gegründeten Neuen Chors in Zürich und setzte sich mit diesem vehement für eine Schweizer Arbeiterkultur und antifaschistische Mobilisierung ein, unter anderem mit der Revue und Agitprop-Montage "Der rote Faden" und der Bilderfolge "Vorsicht, Kinder!". Mitbegründerin und Vorsitzende der Kulturgemeinschaft der Emigranten in Zürich und des Schutzverbands deutscher Schriftsteller in der Schweiz. Sie arbeitete aktiv in der Bewegung Freies Deutschland, in Flüchtlingsorganisationen, übernahm Kurierdienste für die kommunistische Zelle. Ab 1945 in Frankfurt am Main, dort Leitung der Freien Deutschen Kulturgemeinschaft, Mitglied der städti­schen Kulturkommission. Ab 1949 widmete M. sich ganz dem Schreiben und liess sich in Ascona nieder. Sie veröffentlichte unter anderem Prosa, Lieder, Gedichte und Kinderbücher. Ihr bekanntester Roman, "Hüter des Bruders", erschien 1942 in Zürich, 1971 (unter dem Titel "Gesucht: Stepan Varesku") auch in Deutschland.

Auszeichnungen

  • 1948, 1958 und 1960 Ehrenpreise aus dem Literaturkredit der Stadt Zürich,
  • 1980 Premio di Cultura, Ascona.

Literatur

  • Mittenzwei, Werner: Exil in der Schweiz, 1978.
  • Hardt, Yvonne: Vom Krieg, der Pantomime und der Hoffnung. Die Ausdruckstänzerin J. M. sowie Betz, Thomas: Das Brot der Freiheit. Die Schriftstellerin J. M. Beide in: Tanzdrama 64/2002.

Nachlass

  • Tanzspezifischer Nachlass im Deutschen Tanz­archiv Köln.


Autorin: Ursula Pellaton



Bibliografische Angaben zu diesem Artikel:

Pellaton, Ursula: Jo Mihaly, in: Kotte, Andreas (Hg.): Theaterlexikon der Schweiz, Chronos Verlag Zürich 2005, Band 2, S. 1247.

Normdaten

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