Marianne Rieser

Aus Theaterlexikon - CH
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* 30.10.1899 Prag (heute: CZ), † 8.1.1965 Pomona (USA), Schwester des Schriftstellers Franz Werfel. ∞ 1924 →Ferdinand Rieser, Theaterleiter. Marianne Werfel wuchs in einer grossbürgerlichen jüdischen Fabrikantenfamilie in Prag auf.

Nach dem Abbruch ihrer Ausbildung an der Minerva, dem einzigen deutschsprachigen Lyzeum Prags, arbeitete sie als Krankenschwester, "malte in der Akademie" und hatte viele Freunde, die nicht zur "guten Gesellschaft" gehörten. Sie versuchte, sich von der grossbürgerlichen "Werfel’schen Exklusivität" zu entfernen. Während der Direktion ihres Ehemanns 1926–38 arbeitete die "emanzipierte Dame" R. vor allem auf dramaturgischem Gebiet für das →Schauspielhaus Zürich und hatte Einfluss auf den Spielplan. In den dreissiger Jahren, motiviert durch die Machtübernahme der Nationalsozialisten in Deutschland, begann sie sich literarisch zu äussern. Für das Schauspielhaus Zürich bearbeitete sie Nestroys "Der böse Geist Lumpazivagabundus" (Premiere 25.2.1932), verfasste zusammen mit Kurt Bry und →Tibor Kasics die Zeitungsrevue "Schwarz auf Weiss" (Uraufführung 31.12.1934) und schliesslich "Turandot dankt ab" (Uraufführung 18.3.1937, Regie: →Leopold Lindtberg, Titelrolle: →Sybille Binder), ein Frauenstück, in dem R. die Fabel der chinesischen Prinzessin variierte: Alle Machtpositionen sind von Frauen besetzt, während die Männer putzen, kochen und auf Abruf zum "Liebesspiel im Teehaus" bereitstehen müssen; ein damals verwegen feministischer Ansatz für das in freien Versen gestaltete dreieinhalbstündige "Spiel von Politik und Liebe". Ferdinand R. legte 1938 die Direktion des Schauspielhauses nieder, verpachtete es an die Neue Schauspiel AG und zog mit seiner Familie in die USA. Dort wurden ebenfalls Stücke von R. aufgeführt, darunter "Immortal Girl". Sie schrieb weiterhin Lyrik und Prosa, wandte sich aber hauptsächlich der Malerei zu. R.s verstreuter und nicht katalogisierter Nachlass umfasst mehrere hundert Gemälde. Ihre literarischen Arbeiten müssen (bis auf wenige Gedichte) als verschollen gelten. Literatur: Exinger, Peter: Die Narretei eines Idealisten oder Schillernd, böse, grossartig. Ferdinand R. und das Schauspielhaus Zürich. Dissertation Wien, 1996.



Autor: Peter Exinger



Bibliografische Angaben zu diesem Artikel:

Exinger, Peter: Marianne Rieser, in: Kotte, Andreas (Hg.): Theaterlexikon der Schweiz, Chronos Verlag Zürich 2005, Band 3, S. 1496.

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