Stadthof 11, Zürich ZH

Aus Theaterlexikon - CH
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Gastspiel, alle Sparten

Aus dem Bedürfnis nach einem grossen, vielseitig nutzbaren Saal im bevölkerungsmässig stark gewachsenen Zürcher Stadtkreis 11 unternahmen Anfang der fünfziger Jahre lokale Vereine und Parteien erste Vorstösse für einen Saalbau. 1954 wurde ein Initiativkomitee gegründet und im Gemeinderat eine entsprechende Motion eingereicht. 1960 hiess das Parlament die stadträtliche Vorlage über die Erstellung des S. als "Konzert-, Theater- und Kulturzentrum im Quartier Oerlikon" gut; am 5.2.1961 stimmte die Stadtzürcher Bevölkerung dem Kredit für den Bau des Mehrzwecksaals zu. Nach baulichen Verzögerungen konnte der S. am 14.1.1966 eröffnet werden. Das Gebäude wurde von der Stadt Zürich als Eigentümerin der Züspa (später: Messe Zürich AG) vermietet, die Belegung organisierte eine vom Stadtrat eingesetzte Kommission, bestehend aus Vertretern der Stadt, der Züspa und der Quartiervereine. Neben den unterschiedlichsten Veranstaltungen sollten im S. Gastspiele des →Schauspiel- und →Opernhauses sowie der Tonhalle durchgeführt werden. Nachdem diese aber schon bald am zu geringen Publikumszuspruch gescheitert waren, initiierte →Christoph Vitali von der Verwaltungsabteilung des Stadtpräsidenten (später: Präsidialabteilung) Ende der sechziger Jahre eine Neukonzeption der Gastspielreihe. Unter seiner und ab 1978 unter Nicolas Baerlochers Leitung wurden unter dem Namen "Theater 11"– neben Konzerten – jährlich rund zehn bis fünfzehn mehrtägige Gastspiele vorwiegend ausländischer Theatergruppen und -bühnen veranstaltet. Eingeladen wurden vor allem international bedeutende Truppen der Theateravantgarde, renommierte west- und osteuropäische Bühnen und Ensembles sowie Aufsehen erregende Inszenierungen. So gastierten im Rahmen der Reihe "Theater 11" beispielsweise das Open Theatre, La Mama E. T. C. und das Bread and Puppet Theatre aus New York, das Living Theatre, Ariane Mnouchkines Théâtre du Soleil ("1789"), Dario Fos La Comune, Peter Brooks Centre international de recherches théâtrales, Tadeusz Kantors Theater Cricot 2, die Compagnie Renaud-Barrault, die Royal Shakespeare Company, das Piccolo Teatro di Milano, die Compañía Nuria Espert, das Staatliche Puppentheater Moskau sowie Inszenierungen von →Peter Stein (unter anderem Ibsens "Peer Gynt", Kleists "Prinz Friedrich von Homburg", Gorkis "Sommergäste"), Luca Ronconi ("Orlando Furioso"), Robert Wilson, Ingmar Bergman, Rudolf Noelte, Patrice Chéreau, Samuel Beckett und Peter Zadek. Diese Gastspiele, welche unter dem Namen "Theater 11" auch an anderen Orten in Zürich stattfanden (etwa in der Reithalle Gessnerallee, dem späteren →Theaterhaus Gessnerallee, und der →Roten Fabrik), galten in den siebziger Jahren als progressive Alternative zum eher konventionell ausgerichteten Schauspielhaus. Bedingt unter anderem durch die gestiegenen technischen Anforderungen und Kosten internationaler Gastspiele, die Zunahme von Gastspielorten und ‑veranstaltern in Zürich sowie nicht zuletzt die Verselbstständigung des aus den Strukturen des "Theaters 11" hervorgegangenen →Zürcher Theaterspektakels verloren der S. als Spielstätte wie auch das Markenzeichen "Theater 11" seit den achtziger Jahren zunehmend an Bedeutung. Der Rückgang der Belegung durch die Präsidialabteilung wie auch durch lokale Vereine und Organisationen führte dazu, dass der S. nun vermehrt von anderen Veranstaltern (wie etwa dem Migros-Genossenschafts-Bund) sowie für längere Ensuite-Blöcke genutzt werden konnte, so etwa Mitte der achtziger Jahre als Ausweichspielstätte des Opernhauses während dessen Umbau und in den neunziger Jahren für mehrwöchige Musical-Produktionen (zum Beispiel 1993 →Marco Rima/Marco Schneider/Gregory Wachters "Keep Cool" und 1994 Pam Gems’ "Piaf"). Als die Messe Zürich AG 1997 ihren Mietvertrag kündigte, mietete die Freddy Burger Management Group den S. mit der Absicht, ihn längerfristig zu einer Halle für aufwändigere Musical- und Tanzproduktionen auszubauen. Vorerst fanden im S., der nun den Namen "Theater 11" erhielt, weiterhin vor allem Musical-, Tanz- und Showproduktionen mit wenigen Aufführungen statt. 2001 entschied der Zürcher Stadtrat, den renovationsbedürftigen S. im Baurecht an die Messe Zürich AG (nun: MCH Messe Zürich AG) abzugeben, die ihn als Bauherrin (mit finanzieller Unterstützung von Stadt und Kanton Zürich) in ein multifunktionales Gebäude für Kulturveranstaltungen, Kongresse und Ausstellungen umbauen will. Nach dem für 2006 geplanten Abschluss des Umbaus soll die MCH Messe Zürich AG für den technischen Betrieb und den Unterhalt des wesentlich erweiterten Theaters zuständig sein. Die Rent-a-Show AG, ein Tochterunternehmen der Freddy Burger Management Group, welche auch das →Musical-Theater Basel führt, soll den künstlerischen Betrieb übernehmen.

Spielstätte

Thurgauerstr. 7, 8050 Zürich. 1962–65 erbaut (Architekt: Karl Egender). In zwei Hälften unterteilbarer Mehrzwecksaal mit Guckkastenbühne und mehrstufig erhöhbarem Zuschauerraum. Platzkapazität: rund 900 Plätze, variable Bestuhlung. Bühne: 16 m breit, 19 m hoch, 13,5 m tief. Portal: 12 m breit, 6,8 m hoch. Orchestergraben: zwei Hebepodien von 15 m beziehungsweise 14,5 m auf 2,2 m. Zwei Seitenbühnen: je 4 m breit, 10 m tief. Hinterbühne: 4 m breit, 16,8 m tief.

Literatur

  • Initiativkomitee für den S. (Hg.): S. Festschrift zur Einweihung, 14. Januar 1966, 1966.
  • Vitali, Christoph: Theater 11 Zürich. In: Theater in der Schweiz, 1977.

Archiv

  • Stadtarchiv Zürich (Verwaltungsakten, Veranstalterpublikationen).


Autorin: Tanja Stenzl



Bibliografische Angaben zu diesem Artikel:

Stenzl, Tanja: Stadthof 11, Zürich ZH, in: Kotte, Andreas (Hg.): Theaterlexikon der Schweiz, Chronos Verlag Zürich 2005, Band 3, S. 1719–1721.