Tell-Freilichtspiele Interlaken, Interlaken BE

Aus Theaterlexikon - CH
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Seit 1912 finden in Interlaken regelmässig Freilichtaufführungen von Schillers "Wilhelm Tell" statt. Als Initiator gilt der Lehrer August Flückiger. Er überzeugte Mitglieder der Dramatischen Gesellschaft Interlaken und deren Leiter, Georg Wäckerlin, von seiner Idee, Schillers Stück als Freilichtspiel aufzuführen. Es wurden ein Organisations- und ein Spielkomitee gegründet, und am 19.5.1912 fand in Interlaken die erste Aufführung der T. statt. 1913–14, 1931–39 und seit 1947 wurde das Stück jeden Sommer gespielt. Nach dem Beginn des Ersten Weltkriegs 1914 gingen die T. Konkurs. 1930 wurde der Tellspielverein gegründet, der bis heute Träger der T. ist. Das Stück wurde meist zwischen zehn und fünfzehn Mal gespielt, seit den sechziger Jahren werden rund zwanzig Aufführungen pro Saison gegeben. An den Spielen beteiligen sich jeweils zirka 200 Darstellende vor allem aus der Region. Wesentliches Gründungsmotiv der T. war es, mit den Freilichtspielen den Tourismus als wichtigen Wirtschaftszweig der Region zu fördern, zudem sollten die Aufführungen nach den Statuten von 1930 "in erzieherischer und moralischer Hinsicht auf das Volk einwirken". Bis 1939 war Wäckerlin Regisseur der T., 1947–52 führten Flückiger und Jakob Streit Regie. 1949 wurden die bis dahin üblichen Nachmittagsvorstellungen erstmals durch Abendvorstellungen ergänzt, heute wird vor allem abends gespielt. Nachdem die T. vor dem Zweiten Weltkrieg auch als Teil der geistigen Landesverteidigung gesehen worden waren, wurden sie nach dem Krieg unter anderem als antikommunistisches Bekenntnis gedeutet. Gespielt wird seit 1912 in einer Waldlichtung am "Rugen" bei der Gemeinde Matten. Charakteristisch für die Inszenierungen der T. ist der Einbezug zahlreicher Pferde, Kühe und Ziegen; das Stück beginnt jeweils mit einem farbenprächtigen Alpabzug. Die Kostüme sind nach historischen Vorlagen gestaltet. Entsprechend der grossräumigen Spielanordnung sind die Massenszenen wichtiger Bestandteil der T. Als Szenerie diente bis 1951 ein beschauliches, detailreiches Bühnendorf. Die meisten Häuserfronten bestanden aus Leinwänden, bemalt von Bühnenbildner →August Schmid. Eine Besonderheit stellte das so genannte Spielhaus dar, dessen Fassade für wichtige Innenszenen hochgerollt werden konnte und das auf diese Weise als Guckkastenbühne innerhalb des Freilichttheaters diente. 1951 wurde eine neue Szenerie mit stärkerer Gewichtung der künstlerischen Gestaltung realisiert. Seither dient das nach Plänen von →Max Bignens gebaute Dorf aus echten Häusern nach historischem Vorbild als naturalistische Kulisse der T.; die Innenszenen sind alle ins Freie verlagert worden. Mit →Wilfried Scheitlin (1954–59) wurde erstmals ein professioneller Regisseur engagiert. In der Folge leiteten vor allem professionelle Spielleiter, seltener lokale Persönlichkeiten, die durch ihre Tätigkeit als Regieassistenten und teils als Darsteller hervorgetreten waren, die T. und setzten jeweils unterschiedliche Akzente, ohne die Inszenierung radikal zu verändern. 1960–64 führte →Josef Elias Regie, 1965 →Fritz Pfister, 1966–72 Samuel Wenger, 1973–80 →Paul Roland, 1981–84 Peter Leu, 1985–87 Matthias Hagi, 1988–91 →Andreas Löffel, 1992–98 Hanspeter Incondi, 1999 Matthias Fankhauser, 2000 Stephan Bürgi und seit 2001 Monika Wild. Die 2002 eingebaute Tonanlage zur Verstärkung der Stimmen ermöglicht den Darstellerinnen und Darstellern von Einzelrollen eine nuanciertere Betonung. Seit den achtziger Jahren steht für die T. die Belebung des Kulturangebots der Region im Vordergrund, der erzieherische und moralische Zweck der Tellspiele wurde aus den Statuten gestrichen. Für die ersten Aufführungen 1912–14 wurde eine Estrade mit rund 1500 Sitzplätzen erbaut. Bei der Wiederaufnahme der T. 1931 liess der Tellspielverein Interlaken eine überdachte fixe Tribüne mit rund 2000 Sitzplätzen erstellen, seit 1968 stehen über 2200 Plätze zur Verfügung. In den neunziger Jahren wurden das Bühnendorf wie auch die Tribüne renoviert. Die T. finanzieren sich durch Spieleinnahmen. Verbandsmitglied: →ZSV, Gesamtschule für Theater Grenchen.

Literatur

  • Flückiger, August: 50 Jahre T., 1962.
  • Bendix, Regina: Backstage Domains. Playing "William Tell" in two Swiss Communities, 1989.
  • Zaugg, Beat: T. Wie sie die Tellspieler erleben, 1989.
  • 1000 Vorstellungen. T. Jubiläumsschrift zum 13. Juli 1995, [1995].


Autorin: Sara Baumann



Bibliografische Angaben zu diesem Artikel:

Baumann, Sara: Tell-Freilichtspiele Interlaken, Interlaken BE, in: Kotte, Andreas (Hg.): Theaterlexikon der Schweiz, Chronos Verlag Zürich 2005, Band 3, S. 1828–1829, mit Abbildung auf S. 1829.