Theaterrecht

Aus Theaterlexikon - CH
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Der Begriff T. umfasst sämtliche Rechtsbeziehungen, die in der täglichen Theaterpraxis für Bühnenkünstlerinnen und -künstler, Bühnenleitung, Theaterunternehmen sowie Theaterbesucherinnen und -besucher bestimmend sind. Es handelt sich dabei nicht um ein in einem eigenen Erlass geregeltes Rechtsgebiet. Vielmehr nimmt das T. Rückgriff auf verschiedenste Bestimmungen der traditionellen Rechtsgebiete wie zum Beispiel Arbeitsrecht, Urheber- und Leistungsschutzrecht sowie Verfassungsrecht. Es handelt sich um ein Schnittstellengebiet. Weiter ist es aber auch bestimmt durch das Verhalten der Beteiligten, wie beispielsweise der Tarifpartner, durch die Gerichtspraxis (Bühnenschiedsgerichte) und die langjährige Praxis und Theaterusanz, die sich zu Gewohnheitsrecht verfestigt haben. Der Theateralltag und seine typischen Problemstellungen sowie Interessenlagen haben ihrerseits manche Rechtsgebiete geprägt, wie insbesondere das Arbeitsrecht, das so verfeinert und weiterentwickelt wurde. Traditionell sind drei Rechtsgebiete für das T. relevant, das Theaterunternehmensrecht, das Theaterarbeitsrecht und das Theaterurheber- und Theaterleistungsschutzrecht.


Theaterunternehmensrecht

Das Theaterunternehmensrecht befasst sich zunächst mit der Rechtsform und Ausgestaltung der Trägerschaft. Theater sind heute zumeist als Genossenschaften, Stiftungen, Aktiengesellschaften oder GmbHs organisiert.

In der Regel kann der Theaterbetrieb nur dank Subventionen und Sponsorengeldern finanziert werden, weshalb die Verträge über die Beiträge der öffentlichen Hand und die Rechtsbeziehung zu den Sponsoren von zentraler Bedeutung sind. Relevant sind zudem das Steuerrecht (Steuerbefreiungen, Besonderheiten im Mehrwertsteuerrecht) und das Wettbewerbsrecht. Schliesslich ist von grundlegender Bedeutung die Kunstfreiheit, deren Trägerin die Bühnenleitung ist. Diese umfasst zum einen das Recht auf Kunstfreiheit (Programmfreiheit gegenüber dem Staat, den Sponsoren, den Medien und den Bühnenmitgliedern) und zum anderen aber auch die Verantwortung, also die Pflicht zur Wahrung der Kunstfreiheit. In der Praxis befindet sich die Kunstfreiheit des Theaters oftmals im Widerspruch zu Publikum, Medien und künstlerischen Vorständen.


Theaterarbeitsrecht

Zentrales Rechtsgebiet des Theaterrechts ist das Bühnenarbeitsrecht. Die massgeblichen Arbeitsnormen finden sich in Artikel 319 ff. des Obligationenrechts sowie im Arbeitsgesetz vom 1.1.2000 samt Verordnung II. In einem Unternehmen der unablässigen ephemeren Kreativität erfährt insbesondere die persönlichkeitsorientierte Entfaltung der Arbeitnehmerin und des Arbeitnehmers im Betrieb, selbst im Bereich der Technik, singuläre Prägnanz. Typisch für den Kunstbereich des Theaters ist die Ausgestaltung des Arbeitsvertrags auf bestimmte Zeit; der Zeitraum ist die Spielzeit (Spielzeitenvertrag) oder das Stück (Stückvertrag). Das Bühnenarbeitsrecht kennt grundsätzlich keine Kündigung und damit auch keinen Kündigungsschutz. Einer bereits im 19. Jahrhundert entwickelten Theaterusanz folgend, enden die wiederkehrenden Spielzeitenverträge nach Einreichen der so genannten Nichtverlängerungserklärung mit dem definierten Ende der Spielzeit. Diese Usanz ist in der deutschsprachigen Schweiz in Artikel 29 der Gesamtarbeitsverträge "Solo" und "künstlerisches Gruppenpersonal" festgeschrieben, die zwischen der Arbeitgeberorganisation →SBV und der Arbeitnehmerorganisation →SBKV geschlossen worden sind. Ein weiterer Grundpfeiler des Bühnenarbeitsrechts ist die angemessene Beschäftigung im vertraglichen Fach respektive nach Individualität. Vor allem für Solistinnen und Solisten ist das Urlaubswesen von Bedeutung. Der Solistin beziehungsweise dem Solisten wird dadurch ermöglicht, an anderen Bühnen zu gastieren oder sich bei Film und Fernsehen zu verwirklichen. Spezielle rechtliche Eigenheiten ergeben sich bei Störungen der Erfüllung der gegenseitigen Verpflichtungen, unter anderem wenn die Bühnenleitung durch Absagen von garantierten Aufführungen dem Bühnenmitglied weniger Auftritte als vereinbart ermöglicht (Annahmeverzug) oder bei Indispositionen des Bühnenmitglieds. Die Rechtsstreitigkeiten aus Arbeitsverträgen des Kunstbereichs werden primär durch das Schweizerische Bühnenschiedsgericht beurteilt.


Theaterurheber- und -leistungsschutzrecht

Theaterschaffen ist werkkreatives, jedenfalls aber werkinterpretierendes Schaffen nach einem von der Bühnenleitung zu verantwortenden Programm. Die aufgeführten Werke sind ausnahmslos Werke im Sinne des Urheberrechts, deren Interpretation durch Dirigentinnen und Dirigenten, Regisseurinnen und Regisseure, Bühnenbildnerinnen und Bühnenbildner, Kostümbildnerinnen und Kostümbildner sowie Bühnenmitglieder ausnahmslos als Mitwirkung im Sinne des Interpretenrechts (Artikel 33 ff. des Urheberrechtsgesetz URG) zu qualifizieren ist. Der ständige Reibungsprozess zwischen programmatischer Produktion der Bühnenleitung, Nutzung der Werke des Urhebers und der Interpretation vollzieht sich im Spannungsfeld zwischen Bühnenleitung, Urheber und Interpreten; zahlreiche Probleme des so genannten Urheberpersönlichkeitsrechts gelangen dadurch zum Tragen, vor allem jenes der Werktreue (Artikel 9 bis 11 URG). Die ambivalente Qualifikation der Regisseurin oder des Regisseurs – ein Teil der Lehre qualifiziert sie entgegen Artikel 34 URG als Urheber – potenziert die Konflikte als solche zwischen Urhebern (Werkautor versus Regieurheber versus Bühnenleitung). Über den Bereich der Liveaufführung hinaus, sind bei Übertragungen von Aufführungen durch das Radio und das Fernsehen sowie bei Festlegung der Aufführungen auf Tonträger respektive Tonbildträger einschliesslich Vervielfältigung komplexe Rechte vertraglich zu gestalten. Hier kommt die Vielschichtigkeit von individueller und kollektiver Verwertung zum Tragen.

Literatur

  • Fischer, Hermann Josef: Theater und Recht. Ein Nachschlagewerk für Bühnenkünstler, Intendanten, Verwaltungsdirektoren, Mitarbeiter von Theatern und Juristen, 1994.
  • Mosimann, Peter: Theater und Recht. In: Basler Juristische Mitteilungen 1/1998.
  • Kurz, Hanns: Praxishandbuch Theaterrecht, 1999.
  • Mosimann, Peter: Die Leistungsschutzrechte. In: Urheberrecht und verwandte Schutzrechte, 2005.


Autor: Peter Mosimann



Bibliografische Angaben zu diesem Artikel:

Mosimann, Peter: Theaterrecht, in: Kotte, Andreas (Hg.): Theaterlexikon der Schweiz, Chronos Verlag Zürich 2005, Band 3, S. 1880–1881.