Wladimir Vogel

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* 17.2.1896 (nach gregorianischem Kalender 29.2.1896) Moskau (heute: RUS), † 19.6.1984 Zürich, eigentlich Wladimir Rudolfowitsch Fogel. ∞ Aline Valangin, Schriftstellerin.

Nach dem Gymnasium private Studien in Klavier und Musiktheorie. Unter dem Eindruck von Alexander Skrjabins Konzerten in Moskau schon früh erste Kompositionen. Nach vierjähriger russischer Internierung (als deutscher Staatsangehöriger) kam V. 1918 nach Berlin. Zunächst Studium an der Kunstgewerbeschule und privater Kompositionsunterricht bei Heinz Tiessen, 1921–24 in der Meisterklasse für musikalische Komposition von Ferruccio Busoni an der Preußischen Akademie der Künste. Gleichzeitig Kontakte zu Herwarth Walden und seinem Kreis, zu den Malern der Berliner Secession und zu den Avantgardisten des Melos-Kreises um →Hermann Scherchen sowie Mitwirkung in der Musiksektion der "Novembergruppe". Nach 1925 selbstständige kompositorische Tätigkeit, Kompositionslehrer am Berliner Klindworth-Scharwenka-Konservatorium und Musikkritiker. Auf Grund von Aufführungen seiner Orchesterwerke durch führende Dirigenten der Zeit wurde V. international bekannt. Von den Nationalsozialisten als "entarteter Künstler" gebrandmarkt, musste er 1933 Berlin verlassen. Er emigrierte in die Schweiz und lebte – mit Ausnahme kürzerer Aufenthalte in Strassburg, London, Brüssel und Paris – als freier Komponist im Tessin, in Basel und ab 1964 in Zürich. 1954 wurde er Schweizer Staatsbürger. Im Tessin erteilte V. auch privaten Kompositions­unterricht; zu seinen Schülern gehörten unter anderem →Rolf Liebermann, Jacques Wildberger und Robert Suter. Aus der intensiven Beschäftigung mit Busonis "Junger Klassizität" und Schönbergs Zwölftontechnik erwuchs V.s eigene Tonsprache. Er ging vor allem als Begründer des modernen Musiksprechchors in die Musikgeschichte ein. Enge Zusammenarbeit mit →Ellen Widmann, die viele seiner Werke mit dem →Kammersprechchor Zürich aufführte. V.s so genannte Dramma-Oratorien lassen sich auf Grund ihrer Komplexität nicht einordnen. 1935 wurde sein erstes Oratorium "Wagadus Untergang durch die Eitelkeit" (französische Fassung) in Brüssel uraufgeführt, 1938 die deutsche Fassung in Basel. Das gesamte Material wurde bei Bombenangriffen auf Berlin vernichtet. Anhand von Skizzen rekonstruiert, wurde die neue Fassung 1955 in der Tonhalle Zürich uraufgeführt. Im Dramma-Oratorio "Flucht" (nach Originaltexten von →Robert Walser und Morgenstern) vereinigte V. Elemente des gesprochenen Theaters, des Oratoriums und der Oper (Uraufführung 1966 Tonhalle Zürich). "Gli spaziali / Ceux de l’espace / Menschen im Weltraum / Space Men" für Sprechstimmen, Vokalsoli und Orchester widmete V. der Stadt Zürich, wo es 1973 in der Tonhalle uraufgeführt wurde. Darüber hinaus komponierte er unter anderem kleinere Vokalwerke, Klavier-, Kammer- und Orchestermusik. 1977 erschienen seine "Schriften und Aufzeichnungen über Musik: innerhalb – ausserhalb".

Auszeichnungen

unter anderem

  • 1959 Mitglied der Akademie der Künste Berlin,
  • 1960 Berliner Kunstpreis,
  • 1970 Musikpreis der Stadt Zürich,
  • 1972 Komponistenpreis des Schweizerischen Tonkünstlervereins.

Literatur

  • Oesch, Hans: W. V. Sein Weg zu einer neuen musikalischen Wirklichkeit, 1967.
  • Oesch, Hans: Hommage à W. V., 1968.
  • Häusler, Josef: W. V., 1970.
  • Vogt, Hans: W. V., 1982.
  • Labhart, Walter: W. V. Konturen eines Mitbegründers der Neuen Musik [Neujahrsblatt der Allgemeinen Musikgesellschaft Zürich 166].
  • Geering, Mireille: W. V. Verzeichnis der musikalischen Werke, 1992.
  • Geiger, Friedrich: Die Dramma-Oratorien von W. V., 1896–1984, 1998.

Nachlass

  • Zentralbibliothek Zürich.


Autorin: Ingrid Bigler-Marschall



Bibliografische Angaben zu diesem Artikel:

Bigler-Marschall, Ingrid: Wladimir Vogel, in: Kotte, Andreas (Hg.): Theaterlexikon der Schweiz, Chronos Verlag Zürich 2005, Band 3, S. 2019–2020.

Normdaten

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