Heinz Spoerli

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* 8.7.1940 Basel.

1957–60 Ballettunterricht bei Walter Kleiber, Weiterbildung unter anderem in New York an der Joffrey Ballet School und bei Martha Graham. 1960–63 erstes Engagement als Tänzer am →Stadttheater Basel (Ballettdirektion: →Wazlaw Orlikowsky). 1963–66 Tänzer mit Soloverpflichtung am Opernhaus Köln (Ballettdirektion: Todd Bolender); dort prägende Begegnung mit Werken bedeutender Choreografen des 20. Jahrhunderts, vor allem von George Balanchine. 1966/67 als Solist am Royal Winnipeg Ballet (Kanada), 1967–69 und erneut 1970/71 an den Grands Ballets Canadiens in Montreal sowie 1969/70 an den →Basler Theatern. 1967 erste eigene kurze Choreografien. 1971–73 als Tänzer und Choreograf am →Ballet du Grand Théâtre in Genf (Ballettdirektion: →Alfonso Catà, Schwerpunkt: Balanchine-Choreografien). 1973 wird S. Chefchoreograf und Leiter des Balletts an den Basler Theatern, 1979 dort Ballettdirektor. 1991–96 Ballettdirektor an der Deutschen Oper am Rhein in Düsseldorf-Duisburg. Seit 1996 Ballettdirektor am →Opernhaus Zürich. Als Choreograf war S. seit seiner Direktionszeit in Basel immer wieder international tätig, unter anderem an den Ludwigsburger Schlossfestspielen, am Ballett der Wiener Staatsoper, am Stuttgarter Ballett des Staatstheaters Stuttgart, an der Pariser Oper, an der Mailänder Scala, am Chinesischen Nationalballett in Peking, am Nationalballett Helsinki, am Hong Kong Ballett und an der Norwegischen Oper Oslo, und studierte zahlreiche seiner Choreografien (teilweise in überarbeiteter Fassung) mit verschiedenen Kompanien ein. Er schuf eigene Versionen von Ballettklassikern, unter anderem "Giselle" (Musik: Adam, Basel 1976) und "La Fille mal gardée" (Musik: Ferdinand Hérold/Peter Ludwig Hertel, bearbeitet von Jean-Michel Damase, Paris und Basel 1981), ein Werk, das er bis 2001 mit sechs weiteren grossen Ballettkompanien einstudierte. In Basel erarbeitete er auch eigene Handlungsballette wie "Ein Sommernachtstraum" (Musik: Mendelssohn Bartholdy, 1976; Musik: Mendelssohn Bartholdy /Glass/Reich, 1985), "John Falstaff" (Musik: Thomas Jahn, 1984), "Die Nacht aus Blei" (Musik: Hans-Jürgen von Bose, 1985) und "La Belle Vie" (Musik: Offenbach, 1987), das er zuletzt 2002 in Zürich neu einstudierte, und fand von einer modern klassischen Basis des Bewegungsvokabulars zu einem neuen, eigenständigen Ausdruck. S. choreografierte auch zu Partituren aus der Konzertliteratur, beispielsweise "Opus 6" zu Weberns "Sechs Stücke für grosses Orchester" (Basel 1975), "Wendung" zu fünf Rückert-Liedern von Mahler (Basel und Lissabon 1979) und Schönbergs "Verklärte Nacht" (Ludwigsburg und Basel 1982). In den Ballettabenden der neunziger Jahre, in Bachs "Goldberg-Variationen" (Düsseldorf-Duisburg 1993) und in "… und mied den Wind" zu drei Suiten für Violoncello von Bach (Zürich 1999), bestand er die anspruchsvolle und herausfordernde Aufgabe, nicht bloss die äussere Form von Partituren, sondern deren inneres Wesen tänzerisch nachzugestalten, meisterhaft. Mit "… und Farben, die mitten in die Brust leuchten" (Musik: Górecki, Penderecki und andere, Düsseldorf-Duisburg 1996), "Brahms. Ein Ballett" (Zürich 1997) und dem Mozart-Ballett "… eine lichte, helle, schöne Ferne" (Zürich 1999) fand S. einen eigenen Typus von Handlungsballett, in dem nicht eine Geschichte erzählt, sondern ein Schicksal offen gelegt wird. S.s spielerische, leichte Seite zeigt sich vor allem in "Chäs", in dem er Spitzentanz mit Schweizer Sennenfolklore mischte (Musikmontage: →André Bauer, Live-Musik: Trio Edi Baer, Basel 1978; 1991 Teile daraus in "Fondue", einem Auftragswerk zur 700-Jahr-Feier der Schweiz, Lausanne, Basel und Zürich) und in seinem ironischen Kommentar zur Jogging-Mode "Thundermove" (Musik: →George Gruntz, Basel 1980). Während der achtzehn Jahre, in denen S. das Basler Ballett leitete, baute er eine organische Kompanie von fast vierzig Tänzerinnen und Tänzern mit einem beachtlichen Repertoire auf: Allein von S. selbst stammten etwa fünfzehn abendfüllende und rund siebzig Kurzballette. Auch in Zürich zeichnet sich S.s Kompanie durch brilliante Technik und ausgeprägte Musikalität aus, sie geniesst weltweit Anerkennung und gastiert international. Wie bereits in Basel brachte S. in Zürich neben seinen eigenen Choreografien (bis 2003 rund fünfzehn abendfüllende und fünfzehn Kurzballette, wovon neun neu entstanden) Werke von Balanchine, Hans van Manen und William Forsythe auf die Bühne. Herausragende Tänzerinnen und Tänzer in S.s Kompanie in Basel waren beispielsweise →Norma Batchelor, Sylviane Bayard, →Amanda Bennett, →Terrance Ho Sin Hang, →Chris Jensen (seit 1992 auch Assistent und Ballettmeister von S.), →Victoria Mazzarelli, →Martin Schläpfer, Sheldon Schwartz, →Cathy Sharp sowie →Ruth Weber und in Zürich unter anderen →Yen Han, Ilja Louwen, François Petit, Lara Radda und Karine Seneca. Langjähriger Ballettmeister und enger Mitarbeiter von S. war 1973–99 →Peter Appel. S. engagierte sich auch als Förderer des Tanzschaffens: 1987 gründete er das Festival →Basel tanzt, 1996–2001 war er künstlerischer Leiter der →Schweizerischen Ballettberufsschule, 2000 gründete er die "Foundation Heinz Spoerli" zur Nachwuchsförderung und 2001 das Junior Ballet als Nachwuchsensemble am Opernhaus Zürich. S. war wiederholt Jurymitglied internationaler Ballettwettbewerbe. Zahlreiche Fernsehchoreografien und ‑aufzeichnungen.

Auszeichnungen

unter anderem

  • 1982 →Hans Reinhart-Ring der →SGTK,
  • 1991 Kunstpreis der Stadt Basel,
  • 1995 Jacob-Burckhardt-Preis der Johann-Wolfgang-von-Goethe-Stiftung in Basel,
  • 2000 Europäischer Preis für Ballett und Choreografie der Europäischen Kulturstiftung,
  • 2002 Officier de l’Ordre des Arts et des Lettres,
  • 2003 Goldene Ehrenmedaille des Regierungsrats des Kantons Zürich.

Literatur

  • Flury, Philipp/Kaufmann, Peter: H. S., 1983 [zweite, völlig überarbeitete und erweiterte Auflage 1996, mit Werkverzeichnis]. Eckert, Heinz (Hg.): H. S.s Basler Ballett, 1991.


Autor: Richard Merz



Bibliografische Angaben zu diesem Artikel:

Merz, Richard: Heinz Spoerli, in: Kotte, Andreas (Hg.): Theaterlexikon der Schweiz, Chronos Verlag Zürich 2005, Band 3, S. 170.

Normdaten

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