Komedie, Zürich ZH
Freie Gruppe mit wechselndem Kernensemble, Stückverträge, Sprechtheater, zunächst ohne feste Spielstätte, seit 1984 auch Kleinkunst-Gastspielbetrieb an wechselnden Spielstätten
Die K. (auch Komedie Freies Theater und Komedie Theater) wurde 1976 von →Federico Emanuel Pfaffen in Zürich gegründet, der seitdem deren Rechtsträger und Gesamtleiter ist, in der Regel für die Konzepte, oft für die Regie und/oder die Bühne verantwortlich zeichnet und gelegentlich als Spieler auftritt. Als Schauspielerinnen und Schauspieler (die teilweise auch andere künstlerische und/oder administrative Funktionen übernahmen) waren wiederholt verpflichtet: →Ruedi Straub, Alexandra Freytag, Annelie Olga Schönfelder (arbeitete ausserordentlich kontinuierlich mit der K. zusammen und spielte in den achtziger Jahren in über zehn Produktionen tragende Rollen), Anders Oehrn, Etienne de Graffenried, Elisabeth Seiler, Manuela Brugger, →Stefan Witschi, →Dominique Rust, →Enrico Beeler, →Elvira Plüss, Ben Tanner, Anja Brünglinghaus, Peter Haug, Dirk Rademacher, Gabriela Kriebernegg, Andrea Anjuscha Klapproth, Cornelia Krombholz, Jens Ole Schmieder, Bernd Rehse und →Ursula von Wiese. Die K. finanziert sich weit gehend durch Produktionsbeiträge der Stadt Zürich sowie Beiträge von Stiftungen, Sponsoren und Gönnern. In den ersten Jahren veranstaltete die K. insbesondere Freilichtspektakel, beispielsweise 1976 "Pantalone" (auf der St. Peterhofstatt, Zürich), 1977 "Hanswurstiade mit Faust" (mit einem selbst gebauten, aufklappbaren Thespiskarren an verschiedenen Orten in Zürich) und 1979–81 mit Straubs Theaterstücken "Voralpenkomedie", "Tell Eulenspiegel" und "Salto Mortale Svizzero" auf Tournee durch die Schweiz, Deutschland, Österreich und Frankreich (mit einem neuen, grösseren Bühnenwagen). Seit den frühen achtziger Jahren trat die Truppe kaum noch ausserhalb Zürichs auf. Sie zeigte eine Reihe von Schweizer Erstaufführungen, inszeniert an ungewohnten, alternativen Spielorten: 1979/80 Achternbuschs "Ella" (in einem Baucontainer), 1982 Heiner Müllers "Hamletmaschine" und 1983 dessen "Medea das verkommene Ufer" (beide in der →Roten Fabrik), 1984 Williams’ "Sprich zu mir wie der Regen" (auf dem so genannten Kulturschiff der K., dem ehemaligen Brauereischiff "MS Wadim", von der K. umgebaut), Becketts "Rockaby" (in einem Container auf der Landiwiese und später in einem ehemaligen Zürcher Pornokino, Regie jeweils: Pfaffen) und William Mastrosimones "Extremities" (im Keller des →Schauspielhauses Zürich, Regie: Walter Weber). Parallel dazu veranstaltete die K. 1984–91 jeweils im Winter auf dem Kulturschiff, auf dem Pfaffen ein Varietétheater eingerichtet hatte, unter dem Titel "Komedie auf dem Wasser" Eigenproduktionen, Kleinkunstgastspiele, Lesungen und Projekte mit bildenden Künstlerinnen und Künstlern. Beispielsweise produzierte die K. dort 1985 Marguerite Duras’ "La Musica" (Regie: →Peter Freiburghaus) und 1987 deren "Mann im Flur" (Regie: Pfaffen, Vorstellungsbeginn jeweils um Mitternacht). Bereits 1986 thematisierte die K. in der Produktion "700 Jahre Schweiz" das für 1991 bevorstehende 700-jährige Jubiläum der Eidgenossenschaft. Es folgte unter anderem 1986 Wallace Shawn/André Gregorys "Mein Essen mit André"(nach Louis Malles Film, in einem Speisewagen, einige Meter über dem Boden auf dem Sechseläutenplatz aufgestellt, Regie: Witschi). Ende der achtziger Jahre wandte sich die K. bekannten Stoffen zu und zeigte beispielsweise 1989 "Yvonne im Trieb-Werk" (nach Gombrowicz’ "Yvonne, Prinzessin von Burgund", in einer leer stehenden Spinnerei im Zürcher Oberland, Regie: Pfaffen, Regiemitarbeit: Witschi) und 1990 Büchners "Leonce und Lena" (im Rechbergpark, im Rahmen des →Zürcher Theaterspektakels, Regie: Pfaffen). 1991, im Jubiläumsjahr der Schweiz, lancierte die K. das gross angelegte Projekt "ArCHe Schweiz 700 + 1": In einer auf dem Bellevueplatz aufgestellten Arche führte die K. – teilweise am frühen Morgen – →Friedrich Dürrenmatts "Der Gerettete" und dessen "Nächtliches Gespräch mit einem verachteten Menschen" sowie Havels "Vernissage" auf (Regie: Tobias Hofmann). Anschliessend war der Arche-Theaterbau auf Tournee in der Schweiz und 1992 in Deutschland. Ebenfalls 1992 zog die K. mit dreissig Leuten (aus den Bereichen Schauspiel, Musik und bildende Kunst), Zelt, Pferden und einem Elefanten durch die Bergkantone und zeigte neben Projekten mit Schweizer Malern und Bildhauern Franz Windlins "Das Elefant kommt" (Premiere in Murten, Ende der Tournee am Zürcher Theaterspektakel, dokumentiert vom Schweizer Fernsehen DRS: "Das Elefant kann nichts dafür. Ein Pfaffentheater"). Während und nach diesen grossen Projekten folgten, unter Beibehaltung des Prinzips des alternativen Spielorts und wiederum teilweise zu unüblichen Vorstellungszeiten, unter anderem 1991 die Uraufführung von →Tim Krohns "Surfer" (Regie: Pfaffen), 1992 Herbert Rosendorfers Monolog "Oh Tyrol oder Der Letzte auf der Säule" (Regie: Doris Baldini), 1993 die deutschsprachige Erstaufführung von Suzanne van Lohuizens "Fuga" (Regie: Pfaffen) und 1994 Pirandellos "Der Mann mit der Blume im Mund" (Regie: Margot Gödrös, Koproduktion der K. zusammen mit Stefan Weber). Unter der Regie von Anna Maria Krassnigg produzierte die K. 1995 →Hansjörg Schneiders "Sennentuntschi" (im →Theaterhaus Gessnerallee), Nicholas E. Baehrs "Geisterbahn" (in einem Eisenbahnwagen im stillgelegten Lettentunnel, Koproduktion mit Frank Laemmel Production) und 1996 die Dramatisierung von →Agota Kristofs Trilogie "Das grosse Heft. Der Beweis. Die dritte Lüge" (auf zwei Abende verteilt, im Rahmen des Zürcher Theaterspektakels). 1996 realisierte die K. in Koproduktion mit Kampnagel in Hamburg die Uraufführung von →Katharina Tanners "Rufst du mein Vaterland oder Swiss Christmas" (in Kampnagel und im Theaterhaus Gessnerallee, Regie: Maya Fanke). 1994 wurde zudem als Nachfolger des Kulturschiffs das Varieté-Theater "Ludwig 2" im Kellergewölbe an der Geigergasse 6 in Zürich eröffnet, jedoch bereits nach rund zwei Jahren wieder geschlossen. Pfaffen baute daraufhin auf einem Schiff das Komedie-Theater "Herzbaracke", das er seit 1997 gemeinsam mit Jeanine Röthlisberger als Kleinkunstbühne mit Eigenproduktionen der K. (2002 "Rübe ab. In den Krallen der Gier", Text, Regie und Ausstattung: Pfaffen) und Gastveranstaltungen (Kabarett, Varieté, Theater, Konzerte, Lesungen und seit 2002 auch Kinderprogramme) betreibt. Jeweils von November bis März ankert die "Herzbaracke" am Bellevue in Zürich; seit 1998 tourt sie während der übrigen Monate auf dem Zürichsee, geht in den anliegenden Gemeinden vor Anker, um dort ebenfalls ihr Programm zu zeigen. Das Schaffen der K. zeichnet sich aus durch die ständige Suche nach neuen Räumen, in denen Theater stattfinden kann. Sie gilt als eine der innovativsten freien Gruppen der Schweiz.
Literatur
- Pfaffen, Federico Emanuel: 2 x 7 + 3 Jahre Komedie Freies Theater Zürich, 1989.
Autor: Jean Grädel
Bibliografische Angaben zu diesem Artikel:
Grädel, Jean:Komedie, Zürich ZH, in: Kotte, Andreas (Hg.): Theaterlexikon der Schweiz, Chronos Verlag Zürich 2005, Band 2, S. 1017–1018.