Rote Fabrik, Zürich ZH

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Gastspielbetrieb, alle Sparten

In der Volksabstimmung vom 25.9.1977 beschloss die Stadtzürcher Bevölkerung die Schaffung eines alternativen Kultur- und Freizeitzentrums auf dem Areal der ehemaligen "Roten Fabrik", das die Stadt Zürich 1972 ursprünglich erworben hatte, um durch den Abriss der roten Backsteingebäude die Seestrasse verbreitern zu können. Den Grundstein für eine kulturelle Nutzung der R. gelegt hatten die Sozialdemokratische Partei mit einer 1974 lancierten Volksinitiative sowie der Schweizerische Werkbund als Initiant der "Thearena"-Wochen, eines alternativen Veranstaltungsprogramms, das 1976 erstmals in der R. stattfand. Die Umsetzung des Abstimmungsentscheids verzögerte sich jedoch; während dieser Zeit vermietete die Stadt einen grossen Teil der Räumlichkeiten ans →Opernhaus Zürich als Lagerräume sowie an Gewerbetreibende. 1980 bewilligte die Stadtregierung schliesslich – auch unter dem Druck der Zürcher Jugendunruhen ("Opernhauskrawall" vom 30.5.1980) – einen dreijährigen Versuchsbetrieb. Am 25.10.1980 wurde die R. mit einem Fest eröffnet. Nach zweimaliger Verlängerung des Provisoriums stimmte die Bevölkerung am 6.12.1987 dem definitiven Betrieb zu. Die R. wird von der Stadt und zu einem kleineren Teil vom Kanton Zürich subventioniert. Grösste eigenständige Gruppierung auf dem Areal der R. und Rechtsträgerin des Veranstaltungsbereichs mit jährlich rund 300 Anlässen ist der Verein "Interessengemeinschaft Rote Fabrik" (IGRF). Sie organisiert den Betrieb der R. nach basisdemokratischen Grundsätzen in Form einer komplexen Struktur aus ehrenamtlich arbeitenden, spartenspezifischen Programmgruppen, weiteren für die Finanzen, die Betriebsabläufe, die Infrastruktur und die Koordination zuständigen Gremien sowie mehreren Festangestellten. Bis 2001 wurde das Programm von mehr als einem Dutzend Arbeitsgruppen (unter anderen: AG Theater/Tanz, AG Fabrik für Chind) in Zusammenarbeit mit knapp zwanzig Festangestellten (so genannte Betriebsgruppe) gestaltet. Mit einer 2001 umgesetzten Strukturreform, welche unter anderem effizientere Abläufe und eine verstärkte Öffnung gegen aussen zum Ziel hatte, wurden die bestehenden Arbeitsgruppen durch fünf Bereiche (Musik, Frau/Film/Konzept, Fabriktheater, Kommunikation, Produktion) ersetzt. Jeder Bereich wird von zwei Festangestellten koordiniert und verfügt über ein eigenes Budget. In den frühen achtziger Jahren bot die R. als einziger Spielort in Zürich regelmässig freien, nichtetablierten Theatergruppen eine Aufführungsmöglichkeit. In kurzen Gastspielen (teilweise im Rahmen von konzeptuellen Veranstaltungsreihen) wurden experimentelle Theater- und Tanzproduktionen aus dem In- und Ausland gezeigt, welche sich meist thematisch mit aktuellen Fragen sowie gesellschaftlichen oder politischen Minderheiten befassten. Von der IGRF speziell unterstützt (Proberäume, Infrastruktur) wurden dabei Gruppen, die ihre Premiere in der R. herausbrachten. Mit der Zunahme an Spielstätten für freies Theater und der Verwischung der Grenzen zwischen alternativer und etablierter Kultur verlor der Programmpunkt Theater im mehrheitlich auf Konzerte ausgerichteten Veranstaltungsprogramm der R. an Gewicht. Einen anerkannten Ruf schuf und erhielt sich die R. hingegen seit ihren Anfängen im Bereich des Kinder- und Jugendtheaters. Dieser Schwerpunkt wurde ab 1992 noch verstärkt durch die Eröffnung eines eigenen Kindertheaterraums ("Fabriktheater"), der später allerdings auch für andere Aufführungen genutzt wurde. Zu den Schweizer Theater- und Tanzschaffenden, die mehrfach in der R. auftraten, gehören beispielsweise →Bumper to Bumper, →Cîrqu’enflex, die →Compagnie Muriel Bader, die →Compagnie Drift, →Gilles Jobin, die →Lufthunde und das →Zirkus Theater Federlos, →Tina Mantel, →Fumi Matsuda, →Peter Rinderknecht, das →Theater M.A.R.I.A., das →Theater ond-drom und →Mark Wetter. Die R. arbeitet ausserdem mit den Festivals →Blickfelder und →Zürcher Theaterspektakel zusammen. Verbandsmitglied: →VTS, →ASTEJ und →KTV.

Spielstätten

Seestrasse 395, 8038 Zürich. 1892 als Seidenstoffweberei (heutiger Trakt B) vom Seidenfabrikanten und Kunstmäzen Gustav Henneberg erbaut, 1895 Erweiterungsbauten (A und C) durch den Architekten Karl Arnold Séquin-Bronner. Seit 1981 unter Denkmalschutz. Aktionshalle: Platzkapazität: 180–300 Sitzplätze oder 1000 Stehplätze, Halle: 20 m breit, 7 m hoch, 25 m tief, Bühnenraum: 10 m breit, 5,9 m hoch, bis zu 12 m tief. Fabriktheater: Platzkapazität: 100 Plätze, Bühnenraum: 10 m breit, 5 m hoch, 11 m tief. 1990–95 Sanierung des gesamten Komplexes durch die Architektengemeinschaft für die Rote Fabrik (ARFA).

Literatur

  • Arnold, Peter: Kein Theater ohne Kinder. Zur Eröffnung des neuen Kindertheaters, 1992 [Broschüre].


Autorin: Tanja Stenzl



Bibliografische Angaben zu diesem Artikel:

Stenzl, Tanja: Rote Fabrik, Zürich ZH, in: Kotte, Andreas (Hg.): Theaterlexikon der Schweiz, Chronos Verlag Zürich 2005, Band 3, S. 1530–1531.