Theater Basel, Basel BS
Dreispartenbetrieb mit festem Ensemble
Ab Anfang des 18. Jahrhunderts stand gastierenden Wandertruppen in Basel das Ballenhaus als permanente Spielstätte zur Verfügung. Am 6.10.1834 wurde das "Theater auf dem Blömlein", welches das baufällige Ballenhaus ersetzte, eröffnet. Ermöglicht wurde der Bau durch eine Ende der zwanziger Jahre des 19. Jahrhunderts gegründete Aktiengesellschaft; die Stadt stellte das Grundstück und ein Darlehen zur Verfügung. Das Theater wurde jährlich für einige Monate (meist zwischen Oktober und März) von einer privaten Theaterkommission an oft wechselnde Direktoren verpachtet, die es auf eigenes finanzielles Risiko führten (wie beispielsweise →Philipp Walburg Kramer) und daher einen publikumswirksamen Spielplan, dominiert von Opern, Lustspielen, Possen und Volksstücken, boten. Eine erste indirekte Subvention (in Form von Holz) bekam das Theater bereits 1847, erste finanzielle Unterstützung seitens der Stadt und des Kantons ab 1866. 1873 ging das Gebäude an die Stadt über und wurde zu einem Schulhaus umgebaut. 1873–75 fanden in Basel Theateraufführungen unter anderem in der Burgvogtei statt. Das neue "Theater am Steinenberg", auch "Stadt- und Aktientheater" beziehungsweise "Stadttheater" genannt, wurde am 4.10.1875 eröffnet. Finanziert wurde dieses Haus durch die Aktiengesellschaft, die Stadt und den Kanton, Letzterer stellte das Grundstück zur Verfügung. Es galt weiterhin das Pachtsystem, bis sich die Aktiengesellschaft, auch Gesellschaft des Stadttheaters genannt, 1892 entschloss, den Betrieb selbst zu leiten. Hugo Schwabe-Hegar, Mitglied der Theaterkommission der Aktiengesellschaft, wurde von der Generalversammlung zum "artistischen und technischen Direktor" ernannt. Es gelang dem ehrenamtlich tätigen Schwabe-Hegar, ein leistungsfähiges Ensemble aufzubauen und das Repertoire um anspruchsvolle Werke zu erweitern. 1899 übernahm Leo Melitz, bislang Oberregisseur und engster Mitarbeiter Schwabe-Hegars, das Stadttheater als erster angestellter Direktor. Der Theaterbrand vom Oktober 1904 hatte eine fünfjährige Unterbrechung des Spielbetriebs zur Folge. Erst nach dem Wiederaufbau des Gebäudes und der Zusammenstellung eines neuen Ensembles konnte Melitz am 20.9.1909 das neue Haus wieder eröffnen. Nach über zwanzigjähriger Direktionszeit wurde er von Ernst Lert abgelöst, der bereits nach einem Jahr demissionierte. Das finanzielle Defizit führte 1921 zu einer neuen Trägerschaft: die "Genossenschaft des Basler Stadttheaters", die bis heute (als "Theatergenossenschaft Basel") privatrechtlicher Träger des Theaters ist, wurde gegründet. Sie pachtete das Theater von der Gesellschaft des Stadttheaters und trug die Verantwortung für den Betrieb. Nach →Otto Henning (1921–25) wurde →Oskar Wälterlin (1925–32), der bereits seit 1919 als Regisseur am Stadttheater Basel tätig gewesen war, dessen Direktor. Wälterlin verpflichtete neu unter anderen den Regisseur und Schauspieler →Walter Felsenstein und den Dirigenten →Felix Weingartner, der mit seiner Arbeit zur überregionalen Beachtung des Theaters beitrug, sowie →Werner Wolff. 1932 wurde Wälterlin zur Demission gezwungen. Die Spielpläne seines Nachfolgers →Egon Neudegg (1932–49) waren aus finanziellen Gründen geprägt durch kommerziell Erfolg versprechende Werke (zahlreiche Operetten) sowie Dramen im Sinn der geistigen Landesverteidigung, aber auch wichtige Ur- und Erstaufführungen ausländischer Autoren fanden statt. Als Oberspielleiter/Leiter des Schauspiels prägten →Gustav Hartung, Wälterlin und →Kurt Horwitz das Schauspiel. Die Spielzeit 1949/50 wurde vom Kodirektorium →Gottfried Becker, Horwitz und Hans Thudium geleitet. Becker, mit einer Unterbrechung seit 1909 am Stadttheater tätig, wirkte 1928–51 als musikalischer Oberleiter (1942–49 zusammen mit →Alexander Krannhals). 1950–53 und 1962–68 leitete →Friedrich Schramm, der bereits als Oberspielleiter der Oper und als Regisseur am Stadttheater tätig gewesen war, das Haus. Unter seiner Direktion bestand 1951–53 das "Basler Schauspiel", ein gemeinsames Schauspielensemble des Stadttheaters und der →Komödie. Unter dem Chefdramaturgen →Fred Alten ragten in den sechziger Jahren frühe Aufführungen (teilweise auch Schweizer Erstaufführungen) von Autoren wie Peter Hacks, Vaclav Havel, →Rolf Hochhuth, Heinar Kipphardt, Jean Paul Sartre, Martin Walser und Peter Weiss aus dem gängigen Repertoire heraus. Unter der Direktion →Hermann Wedekinds (1954–60) erlangte das Ballett erstmals internationale Beachtung. Nach der erfolgreichen Arbeit von →Rosalia Chladek und →Heinz Rosen legte →Wazlaw Orlikowsky mit seiner Choreografie zu Tschaikowskys "Schwanensee" das Fundament zum so genannten Basler Ballettwunder. Der musikalische Oberleiter →Silvio Varviso (1956–62) setzte Schwerpunkte einerseits bei Werken aus dem italienischen Opernrepertoire, anderseits bei zeitgenössischen Werken. Mit dem Beginn von →Werner Düggelins Direktionszeit (1968–75) wurden das Stadttheater und die Komödie in einen gemeinsamen Betrieb mit der Bezeichnung "Basler Theater" zusammengelegt. Seit der Ära Düggelin fanden die Basler Theater in allen Sparten immer wieder internationale Beachtung. Unter seiner Leitung – 1968/69 mit →Friedrich Dürrenmatt als beratendem Mitglied der Direktion – stiess vor allem das Sprechtheater auf internationale Resonanz, sechs Inszenierungen wurden ans Berliner Theatertreffen eingeladen. Im Musiktheater wirkten →Hans Löwlein (1964–71) und →Armin Jordan (1971–89) als musikalische Oberleiter. Prägende Regisseure in beiden Sparten waren neben Düggelin, →Hans Hollmann, →Kosta Spaic, →Erich Holliger und →Martin Markun. Verantwortlicher Dramaturg war →Hermann Beil. →Heinz Spoerli wurde 1973 Chefchoreograf. 1975 löste Hollmann Düggelin als Direktor ab. Zu Beginn seiner Direktionszeit (1975–78) wurde der alte Theaterbau durch das heutige Stadttheater ersetzt und vom 3. bis zum 5.10.1975 mit dem so genannten Theatermarkt erfolgreich eröffnet. Die Theatergenossenschaft verkaufte das alte Theatergebäude der Stadt Basel, die auch Besitzerin des neuen Theaterbaus ist. Unter der Direktion von →Horst Statkus (1978–88) wurde Spoerli Ballettdirektor (1979–91) und verhalf dem Basler Ballett erneut zu internationalem Ruhm. →Frank Baumbauer, der das nun in T. umbenannte Haus 1988–93 leitete, gelang es, Theaterschaffende zu engagieren, die dem T. durch unterschiedlichste, innovative Inszenierungsstile überregionales Renommee verschafften. Die Sparten Oper, Schauspiel und Ballett wurden in vielen Inszenierungen miteinander in Beziehung gesetzt. →Wilfried Schulz betreute als Chefdramaturg das Schauspiel, Michael Boder, musikalischer Oberleiter, und →Albrecht Puhlmann, Operndramaturg, zeichneten für die Oper verantwortlich, 1991 übernahm →Youri Vàmos die Leitung des Balletts. Auf die Direktoren →Wolfgang Zörner und Hans-Peter Doll folgte 1996 →Michael Schindhelm, der →Joachim Schlömer als Nachfolger von Vàmos als Direktor des Tanztheaters (1996–2001) verpflichtete. Der Entschluss, das traditionelle und äusserst beliebte klassische Ballett durch zeitgenössisches Tanztheater zu ersetzen, stiess in Basel auf grossen Widerstand, brachte dem Theater indes hohe Beachtung durch die internationale Kritik. Mit →Richard Wherlock wurde 2001 wieder ein Ballettchoreograf Leiter der Tanzsparte. Puhlmann übernahm die Leitung der Oper (1996–2001). Er initiierte weiterhin spartenübergreifende Projekte. Ausserdem wurden Schweizer Erstaufführungen von zeitgenössischen Opern, etwa von Kagel und Zimmermann, gezeigt. Unter der Leitung von →Stefan Bachmann (1998–2003) setzte das Schauspiel neue Akzente und wurde in deutschsprachigen Theaterkreisen und der deutschsprachigen Presse gelobt. Die Reaktionen des Basler Publikums und der lokalen Presse hingegen waren gespalten.
Am 17.1.2002 wurde das neue Schauspielhaus an der Steinentorstrasse 7, das dank einer grosszügigen Spende der Stiftung "Schauspielhaus Ladies First" errichtet werden konnte und die Komödie ersetzte, mit Shakespeares "Hamlet" (Regie: Bachmann) eröffnet. Seit 1969 ist das T. zwölf Mal ans Berliner Theatertreffen eingeladen worden, 1999 wurde es in der Kritikerumfrage der Zeitschrift "Theater heute" zum Theater des Jahres gewählt. Verbandsmitglied: →SBV.
Spielstätten
Theater auf dem Blömlein, Theaterstrasse 3–5, Basel. Erbaut 1830–31, bespielt bis 1873. Platzkapazität: zirka 1300 Plätze. Theater am Steinenberg, Theaterstrasse 1, 4000 Basel. Erbaut 1873–75, nach dem Brand von 1904 Wiedereröffnung 1909, bespielt bis 1975. Platzkapazität: zirka 1500 Plätze. Stadttheater, Elisabethenstrasse 16, 4051 Basel. Erbaut 1968–75. Architekten: Felix Schwarz/Rolf Gutmann/Frank Gloor. Grosse Bühne: Platzkapazität: rund 1000 Plätze. Bühne: 18 m breit, 22 m tief. Portal: 9–15 m breit, maximal 8,8 m hoch, Seitenbühne: 225 m2, Hinterbühne: 250 m2. Kleine Bühne: Platzkapazität 322 Plätze. Bühne variabel: maximal 13,5 m breit, maximal 7,5 m tief, versenkbare Vorderbühne: 36 m2, Seitenbühne: 45 m2. Schauspielhaus, Steinentorstrasse 7, 4051 Basel. Erbaut: 1999–2001. Architekten: Schwarz/Gutmann/Martin Pfister. Platzkapazität: variabel, rund 500 Plätze. Bühne variabel: maximal 16,4 m breit, 12 m tief, Seitenbühne: 50 m2.
Literatur
- Theater Basel 1988–1993, 1993.
- Blubacher, Thomas: Befreiung von der Wirklichkeit? Das Schauspiel am Stadttheater Basel 1933–1945, 1995.
- Stumm, Reinhardt: Komödie Basel. Fünfzig Jahre Ach und Krach, 2001.
Autor: Dominique Spirgi
Bibliografische Angaben zu diesem Artikel:
Spirgi, Dominique: Theater Basel, Basel BS, in: Kotte, Andreas (Hg.): Theaterlexikon der Schweiz, Chronos Verlag Zürich 2005, Band 3, S. 1846–1848, mit Abbildungen auf S. 1846 und S. 1847.