Welt in Basel, Basel BS

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Internationales Festival für zeitgenössisches Theaterschaffen

Erstmals wurde das Theaterfestival W. auf dem Basler Kasernenareal (→Kaserne Basel) 1991 im Auftrag der Christoph-Merian-Stiftung und des "Fonds Basel 1996" unter der Gesamtleitung von →Christoph Stratenwerth durchgeführt. Es zeigte rund vierzig Gastspiele aus zwölf Ländern, die das Zusammenleben verschiedener Kulturen, Migrationsbewegungen und das Verhältnis von Tradition und Moderne thematisierten, ergänzt von einem Filmzyklus. Zentrum des Festivals ist bis heute das Basler Kasernenareal im Quartier Kleinbasel, das von einer multikulturellen Gesellschaft geprägt ist. Auf dem Areal stehen als Spielstätten die Reithalle, die Klingentalhalle, der "Rossstall" und seit 2000 die Bühne im Baggestooss des →Jungen Theaters Basel sowie – mit Ausnahme von 1996 und 2002 – im Kasernenhof aufgestellte Zelte zur Verfügung. Ausserdem werden jeweils verschiedene Restaurationsbetriebe eingerichtet. Ab 1996 dienten als weitere Veranstaltungsorte ausserhalb des Areals sporadisch das →Vorstadt-Theater Basel, das →Theater Roxy Birsfelden, die Halle 7 auf dem ehemaligen Sulzer-Burckhardt-Areal (Gundeldinger Feld) sowie aussergewöhnliche Orte in der Stadt (Badischer Bahnhof, Museum für Gegenwartskunst). Bereits die erste Ausgabe konnte einen unerwarteten Publikumserfolg verzeichnen. Trotzdem schloss das Festival W. 1991 mit einem Defizit ab und erforderte eine Nachfinanzierung (geleistet vom Fonds Basel 1996 und vom Kanton Basel-Stadt). Seitdem fand W. 1993, 1996, 1999 und ab 2000 regelmässig alle zwei Jahre mit jeweils rund einem Dutzend Produktionen, verteilt auf circa vierzig Vorstellungen, während fünfzehn bis zwanzig Tagen Ende August und Anfang September statt, 1999 und 2000 unter dem Namen "Theater Festival Basel". Finanziert wurde das Festival massgeblich vom Fonds Basel 1996 (bis 1996) und von der Christoph-Merian-Stiftung (bis 1999), dazu leisten die Kantone Basel-Landschaft (seit der ersten Ausgabe) und Basel-Stadt (seit 1996) sowie weitere Stiftungen und Sponsoren Beiträge an das Budget, das sich 1993 auf rund 900’000 Franken, 2000 auf rund 1,2 Millionen Franken belief. Die Trägerschaft liegt beim Verein "Welt in Basel". Die Gesamtleitung des Festivals lag bis 2000 bei Stratenwerth, 1991 und 1993 unterstützt von Stella Händler als Stellvertreterin und 1996 von Renate Klett als künstlerischer Leiterin, 1999 in Koleitung mit →Jordy Haderek und Sebastian Nübling. Entsprechend dem ursprünglichen Konzept präsentierte Stratenwerth 1991–2000 jeweils ein internationales Programm mit Gastspielen innovativer Theatergruppen, unter anderen des Théâtre Repère des Regisseurs Robert Lepage aus Québec, der Handspring Puppet Company aus Johannesburg, des Gesher Theaters aus Tel Aviv, von Sasha Waltz and Guests aus Berlin, des Deutschen Theaters aus Almaty (Kasachstan), von Forced Entertainment aus Sheffield und El Periférico de Objetos aus Buenos Aires, sowie von Inszenierungen von Eimuntas Nekrosius, Peter Brook und →Christoph Marthaler ("Lina Böglis Reise" als Koproduktion von W. und der Volksbühne am Rosa-Luxemburg-Platz in Berlin, 1996). Aus der Schweiz lud Stratenwerth zwei Produktionen des →Théâtre Vidy-Lausanne sowie eine des Zürcher →Theaters Neumarkt ein, deren Regisseur →Stephan Müller er in der Folge für eine Eigenproduktion des Festivals verpflichtete. 1993 legte er einen Schwerpunkt auf Jugendtheatergruppen aus verschiedenen Ländern und vergab in diesem Rahmen an das Theater Studio Ronda aus Minsk einen Stückauftrag ("Believe Me"). Ausserdem fand 1991–99 unter der Leitung von Rolf Niederhauser jeweils parallel zum Festival W. eine Studienwoche für dreissig bis vierzig Klassen der Mittel- und Oberstufe statt, die sich in rund dreissig verschiedenen Werkstätten mit fremden Kulturen sowie mit Fragen der Globalisierung, des anhaltenden Fortschritts und der Gesellschaft auseinander setzten. Nachdem im Jahr 2000 Eric Bart, der neue Leiter der Kaserne, während des Festivals seinerseits ein Gastspiel des Théâtre du Soleil eingeladen und den Anspruch formuliert hatte, künftig ein eigenes Festival ausrichten zu wollen, kam es zu Differenzen und zu einem offenen Konkurrenzverhältnis zwischen Stratenwerth und Bart. Schliesslich demissionierte Stratenwerth als Leiter von W., und Bart wurde im Frühjahr 2002 mit der interimistischen Leitung des bevorstehenden Festivals beauftragt. Barts Programm für 2002 präsentierte in knapp dreissig Vorstellungen vor allem europäische Gruppen, insbesondere frankophone, wie die Groupe F., Deschamps et Deschamps und Association Arsène. Nach einer publikumsmässig und organisatorisch wenig zufrieden stellenden Bilanz ernannte der Vorstand von W. 2003 Susanne Winnacker zur neuen Festivalleiterin. Sie zeigte 2004 unter dem Titel "Politik ist sexy. Liebe ist aussichtslos. Doch nichts ist ungeheurer als der Mensch" ein dem Experiment, der Performance und der Postdramatik verpflichtetes Programm mit wiederum knapp vierzig Vorstellungen europäischer und nordamerikanischer Theaterschaffender wie der Wooster Group (USA), Forced Entertainment, der Jan Lauwers’ Needcompany aus Belgien und der Compagnie von Anouk van Dijk aus Holland, ergänzt durch Podiumsdiskussionen. Mit diesem Konzept gelang es Winnacker, dem Festival wieder klare Konturen zu geben.



Autorin: Christine Wyss



Bibliografische Angaben zu diesem Artikel:

Wyss, Christine: Welt in Basel, Basel BS, in: Kotte, Andreas (Hg.): Theaterlexikon der Schweiz, Chronos Verlag Zürich 2005, Band 3, S. 2076–2077.