Berner Ensemble, Bern BE
Freie Gruppe ohne eigene Spielstätte, Sprechtheater
Das B. ging aus den jahrelangen Bemühungen von →Peter Borchardt zur Förderung der schweizerischen Dramatik hervor. Als Direktor des →Stadttheaters Bern initiierte er →"Aua, wir leben!", eine Gastspielreihe zeitgenössischer Stücke, die jeweils während rund eines Monats im Frühjahr stattfand und die er 1988 nach seiner Direktionszeit als vom Stadttheater unabhängiges Festival im →Alten Schlachthaus in Bern weiterhin leitete, zusammen mit →Beatrix Bühler (bereits seit 1985 Mitglied der künstlerischen Leitung) und →Guy Krneta (1989–91 Koleiter). Um das Festival durch Uraufführungen von Schweizer Autoren (in der Regel Dialektstücke) zu ergänzen, gründeten Borchardt und Bühler ebenfalls 1988 das Berner Ensemble, das bis 1998 als Veranstalter von "Aua, wir leben!"/"Auawirleben" fungierte. Regie führten vor allem Borchardt und Bühler, die Dramaturgie übernahmen Krneta, Bühler, Heidi Hutterli und Ursula Frauchiger, die Bühnenbilder stammten fast alle von Brigitte Friesz und →Werner Hutterli. Die Schauspieler und Schauspielerinnen wurden produktionsbezogen verpflichtet; mit einigen entstand eine kontinuierliche langjährige Zusammenarbeit. Bis 1995 eröffnete das B. das Festival jeweils mit einer Eigenproduktion (in der Regel einer Uraufführung): 1988 →Beat Sterchis "Dr Sudu", 1989 →Markus Köbelis "Peepshow", 1990 Sterchis "Äm Gessler sy Huet", 1991 →Martin Gelzers "Hunds Besuch", 1992 →Werner Wüthrichs "Zum weissen Kreuz" (Regie jeweils: Borchardt), 1993 →Ernst Burrens "Schneewauzer" (Regie: Gelzer), 1994 die Schweizer Erstaufführung von →Michael Zochows "Ein Neger mit Gazelle" (Regie: Borchardt) und 1995 →Ueli Remunds "Steizyt" (Regie: Gelzer). Auf der Suche nach neuen Texten von Schweizer Autorinnen und Autoren betrieb das B. seit dem Winter 1989 eine Stückwerkstatt und intensivierte so die Zusammenarbeit mit Schreibenden zusehends. 1993 und 1994 führte es im Herbst die Veranstaltung "Sprungbrett" durch: Jeweils sechs ausgewählte Autoren stellten ihre Stücke in Lesungen vor. Ausserhalb des Festivals produzierte das B. →Agota Kristofs "Die graue Stunde" (1992, Regie: Borchardt) und eine Reihe weiterer Uraufführungen: 1991 Sterchis "Vom Elend in den Chefetagen", 1993 Erich F. J. Schuberts "Ich stehe nur so da" (Regie beide: Borchardt), 1994 Krnetas Familiendramen für Kinder und Jugendliche "Marthas Eltern" und "Ursle" (Regie: Bühler; "Ursle" wurde 1995 auch am Festival gezeigt), 1995 Sterchis Bearbeitung von →Walter Vogts Roman "Wüthrich" (Regie: Borchardt, im alten Hörsaal des Anatomischen Instituts der Universität Bern) und 1996 die Kinderstücke "Krabat" nach Otfried Preußler (Regie: Borchardt) und "Münchhausen" (Fassung und Regie: Krneta). Die Bemühungen um Kinder- und Jugendtheaterstücke hatten schon 1991 mit der Uraufführung von Krnetas "Dr aut Lehme" im Rahmen des Festivals begonnen (Regie: Bühler). Seit 1996 war das B. am Festival nicht mehr mit Eigenproduktionen vertreten. 1997 stellte es jedoch in szenischen Lesungen sechs in Auftrag gegebene Einakter am Festival vor. Vier dieser Stücke (Gelzers "Hausflur", →Anna Felders "Der Klavierstimmer", →Urs Richles "Die Fischer" und Theresia Walsers "Brim") wurden im Dezember 1997 unter dem Titel "Antworten eines Klaviers" an einem Abend gezeigt (Regie: Bühler/Borchardt, Koproduktion des B. und des →Theaters Tuchlaube in Aarau). 1998 produzierte das B. die Schweizer Erstaufführung von Walsers "Kleine Zweifel" (Regie: Bühler). Mit einigen seiner Produktionen gastierte es in anderen Städten der deutschsprachigen Schweiz. Da die festen Subventionen der Stadt Bern 1998 ausliefen, folgten keine Neuproduktionen mehr. 2001 löste sich das B. endgültig auf. Verbandsmitglied: →VTS, →ASTEJ, →KTV.
Autor: Peter Arnold
Bibliografische Angaben zu diesem Artikel:
Arnold, Peter: Berner Ensemble, Bern BE, in: Kotte, Andreas (Hg.): Theaterlexikon der Schweiz, Chronos Verlag Zürich 2005, Band 1, S. 172–173.