Bernhard-Theater, Zürich ZH

Aus Theaterlexikon - CH
Zur Navigation springen Zur Suche springen

Unterhaltungstheater, Gastspiele und Eigenproduktionen (Sprech- und Musiktheater), anfangs mit festem Ensemble, später mit Stückverträgen

Mit der Absicht, in Zürich eine neue Wirkungsstätte für das Unterhaltungstheater zu schaffen, gründete der Volksschauspieler und Komiker →Rudolf Bernhard im ehemaligen "Grand Café Esplanade" an der Mozartstrasse das B. (anfangs: Rudolf-Bernhard-Theater), welches am 19./20.12.1941 mit der Kabarettrevue "Härzlig willkomme" eröffnet wurde. Aufgeführt wurden Schwänke und Dialektlustspiele (vor allem von Arnold/Bach, aber auch von Kadelburg/von Schönthan sowie Uraufführungen von Leo Lenz und →Wilhelm Lichtenberg), welche meist der Schauspieler und Hausregisseur →Albert Pulmann inszenierte und in denen Bernhard regelmässig eine Hauptrolle spielte. Zum Ensemble des B. gehörten unter anderen →Ernst Bölsterli, →Walburga Gmür, Bernhards Frau Lisa Lienbach, →Peter W. Staub und →Willi Stettner; als Gäste traten etwa →Heinrich Gretler, →Emil Hegetschweiler, →Alfred Rasser, →Schaggi Streuli und →Fredy Scheim auf. Ab Ende der vierziger Jahre ging das B. jeweils am Anfang der Spielzeit mit einer Produktion auf Schweizer Tournee, während im Stammhaus Gastspiele, zum Beispiel von →Voli Geiler und →Walter Morath oder dem Münchner Kabarett "Die kleine Freiheit", stattfanden. Nach dem Tod Bernhards 1962 übergab seine Witwe die Leitung des Theaters den Brüdern und Tournee-Unternehmern →Eynar und Vincent Grabowsky (Scala Theater AG), wobei Letzterer im Hintergrund für Verwaltungsangelegenheiten zuständig war. Unter der neuen Leitung erfolgte eine allmähliche Diversifizierung des Spielplans. Neben Dialektkomödien und ‑revuen (etwa von →Hans Gmür, →Max Rüeger) sowie Dialektbearbeitungen von Schwänken (durch →Jörg Schneider, →Inigo Gallo) mit →Paul Bühlmann, Schneider, Gallo, →Ursula Schaeppi, →Ruedi Walter, →Margrit Rainer, →Ines Torelli, →Erich Vock und anderen wurden in Eigenproduktionen oder Gastspielen Kabarett (etwa von Hanns Dieter Hüsch, →Peach Weber), Chanson-Abende, Musicals und Operetten ("My Fair Lady", "Pariser Leben"), Travestieshows (Berliner "Cabaret chez nous"), Zauberfestivals ("Die Nacht der 1000 Wunder"), Schwank- und Boulevardtheater mit bekannten (Fernseh-)Stars (Willy Millowitsch, Hans-Joachim Kulenkampff, Horst Tappert) sowie Kinder- und Jugendstücke gezeigt. Daneben initiierte Eynar Grabowsky zahlreiche thematische Reihen wie "Bernhard-Apéro" und "Bernhard-Littéraire". Das B. war seit 1978 als AG organisiert und entrichtete der Stadt Zürich, später der Opernhaus AG als Liegenschaftseigentümerin eine jährliche, allerdings relativ günstige Miete. 1981 musste das "Esplanade"-Gebäude einem Erweiterungsbau des →Opernhauses weichen, in dem – nach drei Übergangsjahren im "Kaufleuten" – auch das neue B. (Eröffnung: 27./28.12.1984) einquartiert wurde. Das B. erhielt keine Subventionen; neben dem Kartenverkauf finanzierte es sich vor allem durch Konsumationseinnahmen und Gastspieltourneen, die über die Scala Theater AG abgewickelt wurden. Im Dezember 1995 nahm sich Eynar Grabowsky das Leben und hinterliess in Millionenhöhe verschuldete Theaterunternehmen. In der Folge geriet das B. durch langwierige Querelen zwischen Direktor Vincent Grabowsky, den einzelnen Verwaltungsräten und weiteren Interessengruppen, durch eine zusätzliche Verschlechterung der finanziellen Situation sowie die Kündigung des Mietvertrags seitens des Opernhauses (anfänglich auf Ende 1998, nach einem Vergleich schliesslich auf Ende Juli 2000) in immer desolatere Verhältnisse. Diese führten letztlich dazu, dass Vincent Grabowsky auf Ende 1998 von seiner Schwester Bernadette Czerwenka-Grabowsky, damals Mehrheitsaktionärin und zuletzt massgebliche Förderin des Theaterbetriebs, als Leiter abgesetzt wurde und dass nach einem gescheiterten Nachlassverfahren im Januar 1999 der Konkurs über die Bernhard-Theater AG verfügt wurde. Gleichzeitig übernahm (unterstützt von Czerwenka-Grabowsky) eine Auffanggesellschaft um die früheren Grabowsky-Kaderleute Peter Schaerer und Peter Leopold, die "Gesellschaft zur Förderung des Bernhard-Theaters", den Theaterbetrieb und führte diesen – gegen den Widerstand des Opernhauses und unter Ausschöpfung des juristischen Spielraums – bis zum Ende des Mietvertrags im Juli 2000 weiter. Zum neuen Mieter des B. ab der Spielzeit 2000/01 wählte der Verwaltungsrat des Opernhauses den Direktor des →Sommertheaters Winterthur, →Hans Heinrich Rüegg. Dieser scheiterte jedoch mit dem Versuch, das B. (nun mit dem Namenszusatz "Komödie am Bellevue") – wie ähnlich ausgerichtete Privattheater in deutschsprachigen Grossstädten – als Komödienhaus für gehobenen Boulevard mit vornehmlich hochdeutsch gespielten Eigenproduktionen zu positionieren. Auf Grund finanzieller Schwierigkeiten musste er auf Ende Juli 2002 vorzeitig aus dem Mietvertrag aussteigen. Das Präsidialdepartement der Stadt Zürich, dem das Opernhaus die Entscheidung über Rüeggs Nachfolge auf Grund ihrer kulturpolitischen Relevanz weit gehend überlassen hatte, beschloss daraufhin einen Generationswechsel und wählte zur neuen Leitung des B. ab der Spielzeit 2003/04 die von →Dominik Flaschka gegründete "Shake Entertainment" mit den beiden Geschäftsführern Daniel Lüscher und Peter Kyburz sowie einem künstlerischen Beratungsgremium. Diese versuchten einen Neuanfang des B. mit einem vielfältigen, verstärkt auf ein jüngeres Publikum ausgerichteten Programm mit Eigenproduktionen, Gastspielen und neuen Veranstaltungsformaten (wie verschiedenen Shows mit prominenten Moderatoren), aber auch bewährten B.-Produktionen (wie Bernhard-Littéraire oder Schwänken und Komödien von Gmür und →Charles Lewinsky mit bekannten Darstellern wie Vock und →Walter Andreas Müller). Trotz eines beachtlichen Publikumserfolgs gelang es allerdings auch dem neuen Team nicht, das Unterhaltungstheater kostendeckend zu führen. Anfang Juni 2004 musste der Spielbetrieb eingestellt und im August der Konkurs der Betreibergesellschaft Shake Entertainment GmbH angemeldet werden. Seither vermietet das Opernhaus die Räumlichkeiten des B. für verschiedene Anlässe, darunter auch einzelne Theater-Gastspiele.

Spielstätte

Theaterplatz 1, 8001 Zürich. Eröffnung am 19./20.12.1941 im "Esplanade"-Gebäude an der Mozartstrasse 2; 1925 erbaut durch J. (eigentlich: Wilhelm) Pfister-Picault. Im Mai 1981 Abbruch des Gebäudes, am 27./28.12.1984 Eröffnung des neuen B. (Architekt: Claude Paillard). Guckkastenbühne mit mehrstufig ansteigendem Zuschauersaal. Platzkapazität: zirka 400 Plätze (mit Konsumationsbestuhlung). Bühne: 5,4 m tief. Portal: 7,1 m breit, 3,9 m hoch. Vorbühne: 8,4 m breit.

Literatur

  • Gmür, Hans: Bernhard-Apéro-Bekanntschaften, 1979.
  • Grieder, Walter: Gueten Oobe mitenand. 50 Jahre B., 1991.
  • 50 Jahre B., Sonderbeilage Nebelspalter, 9.12.1991.


Autorin: Tanja Stenzl



Bibliografische Angaben zu diesem Artikel:

Stenzl, Tanja: Bernhard-Theater, Zürich ZH, in: Kotte, Andreas (Hg.): Theaterlexikon der Schweiz, Chronos Verlag Zürich 2005, Band 1, S. 177–179.

Normdaten

Vorlage:Normdaten