In Situ, Chur GR

Aus Theaterlexikon - CH
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Freie Produktionsgemeinschaft ohne eigene Spielstätte

Die als Verein organisierte Kulturwerkstatt I. formierte sich 1986 in Chur auf Initiative des Dramaturgen und Regisseurs →Wolfram Frank als loser Zusammenschluss von Kulturschaffenden verschiedener Sparten, unter anderem von Mitgliedern des →Stadttheaters Chur, wo Frank zuvor tätig gewesen war. Wesentlich geprägt wurde das I. durch Frank, der für die Konzeption und Inszenierung der meisten Produktionen verantwortlich zeichnete, und Thomas Zindel, der häufig als Bühnenbildner wirkte. Die Beteiligten werden produktionsbezogen engagiert, mit einzelnen entstand eine kontinuierliche Zusammenarbeit, so unter anderem mit den Schauspielern →Oliver Krättli und →Jaap Achterberg, der Schauspielerin Ursina Hartmann sowie mit dem zunächst im technischen Bereich, später auch als Regisseur tätigen Adrian Fry. Die Finanzierung des I. erfolgt über Subventionen der Stadt Chur und des Kantons Graubünden sowie Beiträge diverser Stiftungen, Sponsoren und Gönner. Seit dem Debüt 1986 zeigte I. etwa fünfzig Produktionen, entweder Adaptationen literarischer Texte oder eigens erarbeitete Projekte, an verschiedenen Spielorten in Chur (unter anderem am Stadttheater und an der Städtischen Probebühne) und im Schloss Haldenstein sowie als Gastspiele in verschiedenen Schweizer Städten, unter anderem in Zürich (regelmässig eingeladen zum →Zürcher Theaterspektakel) und Basel sowie vereinzelt in Frankreich und Deutschland. I. legte von Anfang an den Akzent auf die Zusammenarbeit mit verschiedenen Künsten, insbesondere mit der bildenden Kunst. Daraus entstanden oft überraschende und ungewohnte Räume und Bilder für Theater. Diese wurden häufig in eine vielfältige Beziehung gesetzt zu von philosophischen Ideen geprägten Texten. So schuf I. 1993 im Projekt "N. Der Berg. Der Maler. Der Denker" eine innere Verbindung zwischen dem Maler Segantini, dem Philosophen Nietzsche und dem Raum Graubünden. Dem Versuch, die ästhetische und philosophische Auseinandersetzung mit der Geschichte der Region und mit der eigenen Herkunft in Reibung zu bringen und dafür einen entsprechenden künstlerischen Ausdruck zu finden, gilt die Anstrengung der Gruppe für jede neue Produktion. Durch seine Konsequenz war I. lange Zeit ein starkes Ferment des freien Theaters in der Schweiz. Wichtige Produktionen waren unter anderem: 1986 "Kassandra" nach Christa Wolf, 1987 Frank/Zindels szenisches Projekt "Die Erinnerung", 1988 Genets "Der Seiltänzer", 1991 "Lenz" nach Georg Büchner, 1989 die Uraufführung von →Mariella Mehrs "Anni B."in einer von der Autorin abgelehnten Fassung, 1992 Becketts "Warten auf Godot", 1993 Aischylos/Heiner Müllers "Prometheus" und Camus’ "Der Fall" an einem Abend, 1994 zwei szenische Bilder unter dem Titel "Das ist mein Anton" sowie Calderóns "Das Leben ist Traum" und Pasolinis "Calderon" an einem Abend, 1995 Frys "Matthieu" nach Hans Henny Jahnns Roman "Die Nacht aus Blei", 1996 Frank/Zindels szenisches Projekt "Die zweite Erinnerung", Marguerite Duras’ "Aurelia Steiner" und James Joyces "Molly Bloom", 1997 Ibsens "Klein Eyolf" und Kafkas "Das Schloss" (Koproduktion mit den →Freilichtspielen Chur), 1998 "Die Nacht – szenische Bilder" und "Saul – ein Requiem" nach alttestamentarischen Texten, 1999 "angelica/zarte seele/bildversuch", ein Projekt über die Künstlerin Angelica Kauffmann, 2000 "Dido-Erinnerungen", ein Musiktheater-Projekt nach Purcells Oper "Dido und Aeneas" und Texten von Duras. Verbandsmitglied: →VTS und →KTV.

Literatur

  • I. 1986–1995, 1996 [Dokumentation].


Autor: Peter Arnold



Bibliografische Angaben zu diesem Artikel:

Arnold, Peter: In Situ, Chur GR, in: Kotte, Andreas (Hg.): Theaterlexikon der Schweiz, Chronos Verlag Zürich 2005, Band 2, S. 905.