Junges Theater Basel, Basel BS
Jugendtheater jugendlicher Amateurspielerinnen und ‑spieler unter professioneller Leitung, mit Kernensemble und eigenen Spielstätten, Eigenproduktionen in Dialekt
Im Frühjahr 1977 zeigten die →Basler Theater im Rahmen der von →Erich Holliger geleiteten "Montagabende", gespielt von Jugendlichen und drei Ensemblemitgliedern, die Dialektfassung "Do flippsch uss!"von Volker Ludwig/Detlef Michels Jugendstück "Das hält’ste ja im Kopf nicht aus" (Regie: →Helmut Berger, Dramaturgie: Ingrid Hammer, Premiere: 29.4.1977, →Komödie Basel). Nach dieser erfolgreichen Produktion wurde die Jugendtheaterarbeit in der Reihe der Montagabende 1977/78 mit "Kasch mi gärn ha!"fortgesetzt (Dialektbearbeitung von Fehrmann/Flügge/Frankes "Was heisst hier Liebe?"des Theaters Rote Grütze Berlin, auf der kleinen Bühne, Koregie: Berger/Hammer). Unter der Intendanz von →Horst Statkus und nach wie vor unter der Leitung von Holliger wurde die neue Sparte 1978–80 im Rahmen der "Theaterwerkstatt kleine Bühne" weitergepflegt. Es folgten unter anderem 1978 die Ensembleproduktion "Spilt’s e Rolle?"und 1979 "Goht’s no?"(nach dem Jugendstück "Dududada" des Teatro del Sole in Mailand, Koregie beide: Berger/Hammer) sowie →Frank Wedekinds "Frühlings Erwachen" (Regie: →Christoph Stratenwerth). Die Diskussion mit dem jungen Publikum und die Nachbereitung in Schulklassen waren bereits den damaligen Leitungsteams ein besonderes Anliegen und sind bis heute wesentlicher Bestandteil des J. Nach zweieinhalb Jahren hatte sich das Unternehmen mit insgesamt sieben Produktionen als "Jugendtheater der Basler Theater" etabliert und löste sich Ende 1979 als "Basler Jugendtheater" vom Stammhaus, mit dem es bis 1988 kontinuierlich koproduzierte. Aus dem Produktionsteam von "Frühlings Erwachen" ging ausserdem das →Werktheater Basel hervor. Im Frühjahr 1980 nahm das als Verein konstituierte Basler Jugendtheater, unterstützt von einem neu gegründeten Förderverein, unter der Leitung von →Hansjörg Betschart (zunächst zusammen mit Paul Christ) in der →Kulturwerkstatt Kaserne seinen Betrieb auf. Im Herbst 1980 zeigte es "Hesch öppis?"(Regie: Betschart, nach "Mensch, ich lieb dich doch" des Theaters Rote Grütze). Es folgten pro Spielzeit ein bis zwei Stücke in Dialektfassungen (jeweils auf der kleinen Bühne der Basler Theater sowie in der Kulturwerkstatt Kaserne), die konkrete Probleme Jugendlicher wie Liebe, Sexualität, Angst, Schule, Berufswahl oder Generationenkonflikt aufgriffen: beispielsweise 1982 Barrie Keeffes "Gimme Shelter", 1984 die Ensembleproduktion "Dasch en Alte" (mit Jugendlichen und Betagten) und 1985 Shakespeares "Ein Sommernachtstraum" (in einem Zelt auf dem Kasernenareal; Regie alle: Betschart) sowie 1984 die Schweizer Erstaufführung von "Harti & Zarti" (nach Betscharts "Rock wie Hose"). Wiederholt als Ausstatterin tätig war Claudia Castrischer. Mit ihren Produktionen gab die junge Truppe Gastspiele in der Deutschschweiz und wurde zu verschiedenen Festivals eingeladen (unter anderem →Zürcher Theaterspektakel, "Kultureel Front" in Utrecht). Ab 1983 erhielt sie von der Stadt Basel regelmässig Subventionen und mietete in der Villa an der Wettsteinallee 40 Räumlichkeiten für die Administration und die Probenarbeit. Hatten die Jugendlichen in den Anfängen noch unentgeltlich gespielt, erhielten unter Betschart alle Beteiligten (acht Schauspielerinnen und Schauspieler, das Leitungsteam und die Verantwortlichen für Schauspieltraining, Sekretariat und Technik) die gleiche, äusserst bescheidene Gage. Nach Betscharts Weggang 1985 übernahm →Sigi Zebrowski die Leitung (bis 1990), ab 1988 zusammen mit →Daniel Buser (bis 1992); während ihrer Koleitungszeit zeichneten sie abwechselnd für die künstlerische und die administrative Leitung verantwortlich. Unter anderem realisierten sie 1987 "Der Schatten" nach Jewgenij Schwarz (Regie: Zebrowski) und 1989 die Uraufführung von →Paul Steinmanns "Zmitts dure" (Regie: Buser, ans Zürcher Theaterspektakel eingeladen). Der finanzielle Rahmen unter Zebrowski und Buser war weiterhin eng; ausser den Subventionen der Stadt erhielt das Jugendtheater produktionsgebundene Beiträge vom Kanton Basel-Landschaft und Unterstützung weiterer Institutionen und Stiftungen. Trotzdem konnte das seit den achtziger Jahren bestehende Kursangebot für Jugendliche, Lehrpersonen und Eltern sogar ausgebaut werden. 1990–2000 leitete →Heidi Fischer das Theater, 1990–92 zusammen mit Buser, anschliessend bis 1997 zusammen mit der Theaterpädagogin Regula Schöni und ab 1997/98 mit den Theaterpädagogen Sebastian Nübling und Daniel Wahl, zu denen 1998/99 Uwe Heinrich dazustiess. Die während Jahren enge Raumsituation für Proben und Aufführungen entspannte sich unter Fischer endlich: Seit 1992 unterhält das Theater an der Wettsteinallee 40 auch eine kleine Spielstätte, und 1994 wurde ihm, seit 1993 Junges Theater Basel genannt, nach langwierigen Verhandlungen auf dem Kasernenareal der "Baggestooss", ein ehemaliger Pferdestall, als Spielstätte zur Verfügung gestellt. Als erste Produktion unter Fischer wurde 1990 in einer Neufassung "Kasch mi gärn ha!!"(Regie: →Dalit Bloch/Buser) gezeigt. Es folgten unter anderem in der Regie von →Wolfgang Beuschel 1991 Nino d’Introna/Giacomo Ravicchios "Robinson & Crusoe" (im →Vorstadt-Theater) und 1993 Büchners "Leonce und Lena", 1996 Campbells "Frank & Stein" (Regie: Rafael Sanchez), 1998 die Schweizer Erstaufführung von Nina Pawlowas "Die Bande" (Regie: Corinne Eckenstein) sowie in der Regie von Nübling, in kontinuierlicher Zusammenarbeit mit dem Musiker Lars Wittershagen, beispielsweise 1998 Enda Walshs "Disco Pigs" und 2000 die sehr erfolgreiche Schweizer Erstaufführung von Edna Mazyas "Die Schaukel" (zu verschiedenen ausländischen Festivals eingeladen, bis 2004 im Repertoire). Zudem realisierte das J. in Zusammenarbeit mit dem Autor und Regisseur Steinmann mehrere Uraufführungen (unter anderem 1992 "Dryyschloo", Koregie: Tinu Niederhauser, 1992 vom Schweizer Fernsehen DRS an Originalschauplätzen verfilmt, 1996 "Die Memphis-Brothers"). Als Ausstatter waren vor allem Stephan Bircher und Fischer tätig. Dank vermehrten Abendvorstellungen und Bearbeitungen von Bühnenklassikern stieg die Zahl der Erwachsenen im Publikum deutlich an. Neben den Produktionen mit dem Kernensemble aus Amateuren und bisweilen auch professionellen Theaterschaffenden (unter anderen Tiziano Sarro, Rafael Sanchez, Sandra Stadler) sowie Gästen führt das J. seit 1991 Jahreskurse für Jugendliche durch. Seit 1995 leistet auch der Kanton Basel-Landschaft regelmässig Subventionen, während das J. weiterhin rund die Hälfte des Budgets in Eigenleistung erbringt. 2000 übernahm Heinrich die Leitung des J. Aufgeführt wurden seitdem unter anderem 2002 Synges "Held der westlichen Welt" (2003 ans Zürcher Theaterspektakel eingeladen), 2003 die deutschsprachige Erstaufführung von Simon Stephens’ "Reiher" (in Koproduktion mit dem Staatstheater Stuttgart und dem →Theater Basel, 2004 an den Wiener Festwochen gezeigt) und 2005 "Fucking Åmål" (in Koproduktion mit dem Theater Basel; Regie jeweils: Nübling) sowie 2001 Claire Dowies "Warum trägt John Lennon einen Rock?"und 2003 "Odyssee 2003" (in Koproduktion mit dem Theater Basel, mit Stationen auf der kleinen Bühne des Theaters Basel, in der Strassenbahn und im Baggestooss; Regie jeweils: Sanchez). Die Ausstattung besorgten neben anderen weiterhin Fischer und Bircher. Seit dem Bestehen des Basler Jugendtheaters/des J. konnten zahlreiche Jugendliche, die sich für ein oder zwei Jahre fest und oft ausschliesslich für diese Theaterarbeit entschieden hatten, beim J. Bühnenerfahrungen sammeln, einige von ihnen machten das Theater zu ihrem Beruf (beispielsweise →Ueli Jäggi, →Grazia Pergoletti). Verbandsmitglied: →VTS, →ASTEJ, Genossenschaft Basler Kleintheater (GBK).
Auszeichnungen
- 2001 1. Preis des Festivals freier Theater Impulse Nordrhein-Westfalen für "Die Schaukel".
Spielstätten
Baggestooss auf dem Areal der ehemaligen Kaserne, Klybeckstrasse 1b, 4057 Basel. Kleiner Spielraum, Wettsteinallee 40, 4058 Basel. Baggestooss: 1994 wurde die Räumlichkeit, einer der früheren Pferdeställe der Kaserne, dem J. überlassen. Seit dem Frühjahr 1994 wird sie vom J. bespielt, obwohl die Grundeinrichtung zunächst noch rudimentär war. Umbau: Sommer 1994 bis Herbst 1995. Offizielle Eröffnung: 22.11.1995 mit der Uraufführung von "Clex". Einheitsraum (400 m2). Arenabühne: 8 m breit, 10 m tief. Raumhöhe: 3,8 m. Mobile Zuschauerpodeste. Platzkapazität: 100–120 Plätze. Kleiner Spielraum: Seit 1992 wird der Proberaum in der Villa der Christoph-Merian-Stiftung an der Wettsteinallee auch als Spielstätte benutzt. Raum: 4 m breit, 4,7 m lang, 2,8 m hoch. Platzkapazität: rund 40 Plätze.
Autor/Autorin: Peter Arnold/Christine Wyss
Bibliografische Angaben zu diesem Artikel:
Arnold, Peter/Wyss, Christine: Junges Theater Basel, Basel BS, in: Kotte, Andreas (Hg.): Theaterlexikon der Schweiz, Chronos Verlag Zürich 2005, Band 2, S. 946–948.