Michael Schindhelm

Aus Theaterlexikon - CH
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* 1.10.1960 Eisenach (DDR, heute: D).

1979–84 Studium der Quantenchemie an der Internationalen Universität Woronesch. Abschluss als Diplom-Quantenchemiker, danach wissenschaftliche Mitarbeit an der Akademie der Wissenschaften in Ostberlin. Ab 1986 freiberufliche Tätigkeit als Übersetzer aus dem Russischen, Autor und Dramaturg sowie als Mitherausgeber von Literatur- und Grafiksammlungen in Berlin und Nordhausen. 1990, nach dem Zusammenbruch der DDR, Wahl zum neuen Direktor des Theaters Nordhausen, dort 1991 Uraufführung seines Stücks "Die Stadt". 1992 wurde S. Intendant des Theaters in Gera, das 1994 unter seiner Leitung mit dem Theater in Altenburg fusionierte; S. wurde Generalintendant des neuen Theaters Altenburg-Gera. Es folgte die Berufung zum Direktor des →Theaters Basel. Mit Operndirektor →Albrecht Puhlmann, Schauspieldirektor Peter Löscher und Tanztheaterdirektor →Joachim Schlömer an seiner Seite führte S. das Dreispartenhaus ab 1996/97 in eine neue künstlerische Ära. Für Unruhe sorgte er mit seinem Entschluss, das traditionelle und äusserst beliebte klassische Ballett durch zeitgenössisches Tanztheater zu ersetzen. Dieser Schritt brachte dem Theater indes hohe Beachtung durch die internationale Kritik, ebenso wie der ambitionierte Opernspielplan, der sich mit Inszenierungen von →Herbert Wernicke, →Christoph Marthaler, Nigel Lowery sowie mit Operndebüts von Schauspielregisseuren wie Leander Haußmann und Frank Castorf konsequent am zeitgenössischen Regietheater orientierte. Zahlreiche Einladungen zu Gastspielen und internationalen Festivals, unter anderem mit dem Opernprojekt "The Unanswered Question" von Marthaler und →Jürg Henneberger ans Berliner Theatertreffen 1998. Eher verhalten war hingegen der Neubeginn in der Sparte Schauspiel. Als S. auf Beginn der Spielzeit 1998/99 seinen Schauspielchef Löscher durch →Stefan Bachmann ersetzte, änderte sich dies sprunghaft. Mit einem grossteils erneuerten Schauspielensemble und Aufsehen erregenden Inszenierungen unter anderem von Bachmann, Lars-Ole Walburg, Michael Thalheimer, Stefan Pucher und →Ruedi Häusermann avancierte das Basler Schauspiel 1998/99 in der Kritikerumfrage der Zeitschrift "Theater heute" zum Theater des Jahres. In der Spielzeit 1999/2000 wurde das Thea­ter Basel mit zwei Produktionen (Walburgs Inszenierung von Ibsens "Volksfeind" und Schlömers Tanztheaterabend "Guerra d’Amore") zum Berliner Theatertreffen eingeladen. Die Reaktionen des Basler Publikums und der lokalen Presse hingegen waren gespalten; das Theater Basel musste einen zunehmenden Besucherrückgang verzeichnen. Zur selben Zeit, im Januar 2001, machte S. seine Tätigkeit als inoffizieller Mitarbeiter des Staatssicherheitsdienstes der DDR bekannt und löste damit in der Öffentlichkeit heftige Kontroversen aus. Eine vom Verwaltungsrat des Theaters Basel eingesetzte Kommission kam zum Schluss, dass S. niemandem Schaden zugefügt habe; im April 2001 sprach der Verwaltungsrat S. sein Vertrauen aus. Auf Ende der Spielzeit 2000/01 verliessen Schlömer und Puhlmann das Theater Basel. Mit →Richard Wherlock betraute S. wieder einen Ballett-Choreografen mit der Leitung der Tanzsparte. Neuer Operndirektor wurde Michael Lakner. Voraussichtlich wird S. 2006/07 als Direktor des Theaters Basel von →Georges Delnon abgelöst. S. veröffentlichte mehrere Essays und Romane: In seinem ersten, autobiografisch geprägten Roman "Roberts Reise" (2000) beschrieb S. die Schauplätze seiner Kindheit und seines Studiums in der DDR und Sowjetunion. Im Februar 2001 folgte sein zweiter Roman "Zauber des Westens. Eine Erfahrung". Darin verarbeitete S. auch seine Erfahrungen in Basel, der "reichen Lagunenstadt", wo das traditionsverliebte Publikum einen "Kulturkampf" gegen ästhetische Neuerungen führe. Zudem schrieb S. das Libretto zur Oper "Schwarzerde" von →Klaus Huber, die im November 2001 am Theater Basel uraufgeführt wurde.



Autorin: Dominique Spirgi



Bibliografische Angaben zu diesem Artikel:

Spirgi, Dominique: Michael Schindhelm, in: Kotte, Andreas (Hg.): Theaterlexikon der Schweiz, Chronos Verlag Zürich 2005, Band 3, S. 1606–1607, mit Abbildung auf S. 1607.

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