Rolf Hochhuth

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* 1.4.1931 Eschwege (D). H., Sohn eines Fabrikanten, verliess 1948 vorzeitig das Gymnasium und absolvierte eine Buchhandelslehre.

Danach Gehilfe in Buchhandlungen und Antiquariaten in München, Marburg und Kassel; erste Gedichte und Prosa-Fragmente. Ab 1955 Lektor beim Bertelsmann Verlag in Gütersloh; Herausgabe diverser Werkausgaben. Leon Poliakovs Buch "Das Dritte Reich und die Juden" und die Frage nach der Rolle der Kirche in der Zeit des Nationalsozialismus lieferten H. das Konzept für sein erstes Drama "Der Stellvertreter". Als das Stück am 20.2.1963 durch Erwin Piscator an der Freien Volksbühne Berlin uraufgeführt wurde (Schweizer Erstaufführung 24.9.1963, →Stadttheater Basel, Regie: Ernst Kuhr), provozierte das Bühnendebüt des bis dahin unbekannten H. eine internationale Diskussion. "Der Stellvertreter", in mehrere Sprachen übersetzt und von Regisseuren wie Peter Brook und Ingmar Bergman inszeniert, mobilisierte Anfang der sechziger Jahre Menschenmassen, die für oder gegen das Stück demonstrierten. 1963 verliess H. Deutschland und übersiedelte mit seiner Familie nach Basel. Auch sein zweites Drama "Soldaten" (Uraufführung 9.10.1967, Freie Volksbühne Berlin, Regie: Hans Schweikart; Schweizer Erstaufführung 17.2.1968, →Stadttheater Bern) war umstritten. Themen seiner nächsten Stücke waren der Staatsstreich in "Guerillas" (Uraufführung 15.5.1970, Württembergische Staatstheater Stuttgart, Regie: Peter Palitzsch; Schweizer Erstaufführung 14.1.1971, →Schauspielhaus Zürich), der Klassenkampf und die sozialen Verhältnisse in der BRD in "Die Hebamme" (gemeinsame Uraufführung 4.5.1972, Schauspielhaus Zürich, Regie: →Werner Kraut, mit →Heidemarie Hatheyer, Kammerspiele München, Regie: August Everding, sowie Städtische Bühnen Essen, Deutsches Theater Göttingen, Staatstheater Kassel, Hessisches Staatstheater Wiesbaden), die Rolle ehemaliger NS-Richter in "Juristen" (gemeinsame Uraufführung 14.2.1980, Deutsches Theater Göttingen, Ernst-Deutsch-Theater Hamburg, Theater der Stadt Heidelberg; Schweizer Erstaufführung 17.9.1980, →Basler Theater). Nach der Wiedervereinigung der beiden Teile Deutschlands war H. einer der ersten Bühnenautoren, der mit "Wessis in Weimar. Szenen aus einem besetzten Land" (Uraufführung 1993, Berliner Ensemble, Regie: Einar Schleef; inszeniert von H. selbst 1994 in Meiningen und 1999 am Schloßpark-Theater Berlin) zum Verhalten der Westdeutschen gegenüber den ehemaligen DDR-Bürgern Stellung nahm. H.s gesamtes Schaffen widmet sich politischen Stoffen, an die er moralische und ethische Fragen stellt. Umfangreiche Regieanweisungen und essayistische Passagen kennzeichnen seine Dramen. 1996 wurde die von H. mitgetragene und nach seiner Mutter benannte Ilse Holzapfel-Stiftung Besitzerin des Grundstücks und des Gebäudes des Berliner Ensembles (des Theaters am Schiffbauerdamm), das H. jeweils während der Theaterferien im Sommer bespielen darf. Erstmals inszenierte er dort im August 2000 "Die Hebamme" mit →Regine Lutz in der Titelrolle. Weitere Bühnenwerke: "Lysistrate und die Nato" (gemeinsame Uraufführung 1974 in Essen und am Volkstheater Wien); "Tod eines Jägers" (Uraufführung 11.8.1977 an den Salzburger Festspielen, Regie: Ernst Haeus­sermann, mit →Bernhard Wicki als Ernest Hemingway); "Ärztinnen" (Uraufführung 9.11.1980, Nationaltheater Mannheim, Schweizer Erstaufführung 5.11.1986, →Stadttheater St. Gallen); "Judith" (Uraufführung 9.11.1984, Citizen’s Theatre Glasgow, Regie: Robert David MacDonald; Schweizer Erstaufführung 28.9.1985, Basler Theater); "Unbefleckte Empfängnis" (Uraufführung 8.4.1989, Schiller-Theater Berlin; Schweizer Erstaufführung 11.1.1990, Stadttheater St. Gallen); "Sommer 14" (Uraufführung 18.12.1990, Akademietheater Wien, Regie: MacDonald); "Effis Nacht" (Uraufführung 1998, Prinzregententheater München, Regie: Everding, mit →Maria Becker als Elisabeth von Ardenne); "Arbeitslose oder Das Recht auf Arbeit" (Uraufführung 4.12.1999, Landestheater Salzburg, Regie: →Guido Huonder); "McKinsey kommt" (Uraufführung 13.2.2004, Brandenburger Theater, Regie: Oliver Munk). Sonstige Werke (Auswahl): "Die Berliner Antigone", 1964; "Eine Liebe in Deutschland", 1978 (1983 verfilmt von Andrzej Wajda); "Schwarze Segel", 1986; "Alan Turing", 1987; "Täter und Denker", 1987; "Julia oder Der Weg zur Macht", 1994; "Und Brecht sah das Tragische nicht. Plädoyers, Polemiken, Profile", 1996; "Wellen. Artgenossen, Zeitgenossen, Hausgenossen", 1996.

Auszeichnungen

unter anderem

  • 1963 Gerhart-Hauptmann-Förderpreis und Berliner Kunstpreis,
  • 1976 Basler Kunstpreis,
  • 1980 Geschwister-Scholl-Preis für Literatur,
  • 1981 Lessing-Preis,
  • 1990 Elisabeth Langgässer-Preis.

Literatur

  • Hoffmeister, Reinhart (Hg.): R. H. - Dokumente zur politischen Wirkung, 1980.
  • Hinck, Walter (Hg.): R. H. - Eingriff in die Zeitgeschichte. Essays zum Werk, 1981.
  • Wolff, Rudolf (Hg.): R. H. Werk und Wirkung, 1987.

Vorlass

  • Schweizerisches Literaturarchiv, Bern.


Autorin: Brigitte Marschall



Bibliografische Angaben zu diesem Artikel:

Marschall, Brigitte: Rolf Hochhuth, in: Kotte, Andreas (Hg.): Theaterlexikon der Schweiz, Chronos Verlag Zürich 2005, Band 2, S. 851–852, mit Abbildung auf S. 851.

Normdaten

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