Theatergesellschaft Wil, Wil SG
Amateurtheater, Musiktheater
Die offizielle Gründung der T. wird auf das Jahr 1866 festgelegt, ist aber nicht mehr dokumentiert. Verbürgt ist die Absicht der beiden Vereine Concordia (Männerchor) und Cäcilia (Musikgesellschaft), sich 1866 zu einer Zweckgemeinschaft zusammenzuschliessen, um 1867 Lortzings "Zar und Zimmermann" zu produzieren. In ein- bis zweijährigem Turnus folgten weitere Produktionen der beiden noch unabhängigen Gesellschaften, jeweils unter der Leitung eines gemeinsamen Theaterkomitees, ab 1883 kam als drittes Mitglied der Pfarrcäcilienverein hinzu. Bis 1914 bestand das Repertoire grösstenteils aus Schauspielen mit musikalischen Einlagen, wie 1868 Carl Georg Jakob Sailers vaterländisches Drama "Die Nonne von Wyl" mit Musik von Ernst Kempter, Oscar von Redwitz’ "Philippine Welser" und dessen "Zunftmeister von Nürnberg", Rudolf Kneisels "Die Lieder des Musikanten", Raimunds "Der Verschwender" sowie Schillers "Die Jungfrau von Orleans" und dessen "Wilhelm Tell", Theodor Körners Trauerspiel "Zriny". Im Musiktheater wurden Lortzings "Zar und Zimmermann" und dessen "Waffenschmid", Flotows "Alessandro Stradella" und dessen "Martha" sowie Etienne Nicolas Méhuls "Joseph und seine Brüder" gegeben. Ab den zwanziger Jahren wurden (ausser 1922 und 1924) nur noch Musiktheaterproduktionen realisiert: Beethovens "Fidelio", Smetanas "Die verkaufte Braut", Webers "Der Freischütz". Seit den dreissiger Jahren wurden vermehrt Operetten inszeniert: Zellers "Der Vogelhändler", Johann Strauß’ "Der Zigeunerbaron", dessen "Nacht in Venedig" und dessen "Fledermaus", Lehárs "Die lustige Witwe", Suppés "Boccaccio", →Paul Burkhards "Der schwarze Hecht" und in jüngerer Zeit auch Musicals (1997 Jerome Kern/Hammersteins "Show Boat" und 2001 Loewe/Lerners "Brigadoon"). Sporadisch wurden zur Ergänzung des eigenen Ensembles professionelle Sänger engagiert. Seit Ende der dreissiger Jahre verpflichtet die T. namhafte professionelle Regisseure wie Otto Bosshard, →Karl Schmid-Bloß, →Hans Zimmermann und →David Geary. Die Kostümbildnerin →Johanna Weise stattete über Jahrzehnte die Spielenden aus. Eigentlicher Mentor der ersten Aufführungen der T. war der Musiklehrer und Organist der katholischen Pfarrgemeinde Wil, Ernst Kempter, der auch die anderen musikalischen Vereine Wils leitete. Kempters Nachfolger, Paul Beckler, war 1877–1910 musikalischer Leiter des T. Die Entwicklung im 20. Jahrhundert wurde unter anderen geprägt durch Paul Truniger (Präsident 1914–46), Gallus Schenk (musikalischer Leiter 1911–49), Max Wirz (musikalischer Leiter 1952–54 und 1969–79) und Richard Osterwalder (Präsident und Produktionsleiter 1977–93).
Seit 1877 finden die Aufführungen des T. in der 1876/77 erbauten Tonhalle Wil statt (heute zirka 450 Plätze). Die T. hat mit ihrem Betriebskapital einen soliden Hintergrund und einen hohen Eigenfinanzierungsgrad. Die Mitglieder zahlen keine Beiträge. Subventionen werden keine bezogen. Die T. engagiert sich für die Aus- und Weiterbildung ihrer Mitwirkenden und erreicht damit Produktionen auf hohem Niveau.
Auszeichnungen
- 1986 Anerkennungsprämie der Stadt Wil als Würdigung der Leistungen des T. auf kulturellem Gebiet,
- 1988 Anerkennungspreis der St. Gallischen Kulturstiftung.
Literatur
- 125 Jahre T., 1993.
Autor: Sigi Blarer
Bibliografische Angaben zu diesem Artikel:
Blarer, Sigi: Theatergesellschaft Wil, Wil SG, in: Kotte, Andreas (Hg.): Theaterlexikon der Schweiz, Chronos Verlag Zürich 2005, Band 3, S. 1864–1865.