Od-Theater, Basel BS
Freie Produktionsgemeinschaft, Sprechtheater, ohne eigene Spielstätte
1986 durch den Schauspieler →Hans-Dieter Jendreyko (künstlerische Leitung) und Wolfram Groddeck (Dramaturgie) in Basel gegründet. Die Beteiligten werden produktionsbezogen engagiert, mit Einzelnen entstand eine kontinuierliche Zusammenarbeit, unter anderem mit →Thomas Fuhrer. Programm des O. war "die Auseinandersetzung mit grossen literarischen Stoffen – gespielt in theaterunüblichen Räumen". Der Spielort sollte zum Begegnungsort mit dem Publikum werden. Es fanden häufig ergänzende Rahmenveranstaltungen, wie Lesungen und Konzerte, statt. Regie führte meist Jendreyko. Grosser Erfolg bereits mit der ersten Produktion, 1986 Enzensbergers "Der Untergang der Titanic", in der die Gäste im ehemaligen Badehaus St. Johann während eines mehrgängigen Menus den Abend des Untergangs erlebten. Weitere Produktionen waren 1987 Calderóns "Das Leben ist Traum" im fragilen Gewächshaus der ehemaligen Stadtgärtnerei (Musik: →Christoph Marthaler/→Jürg Kienberger), 1988 Euripides’ "Die Bakchen", die nationale und internationale Beachtung fand und mit der das auf Initiative des O. entstandene Theater- und Aktionshaus "Stückfärberei" eröffnet wurde und 1990 "Parzival" nach Wolfram von Eschenbach in der ehemaligen Schlotterbeck-Tiefgarage. In den folgenden Jahren nur geringe finanzielle Unterstützung durch den Kanton, deshalb konnten nur kleinere Projekte realisiert werden: 1992 "Die Zauberei im Herbste" nach Joseph von Eichendorff als Solo von Jendreyko im Victoria-Gewächshaus des Botanischen Gartens und 1994 "Der Grossinquisitor" nach Dostojewskis Roman "Die Brüder Karamasow" im Restaurant "Börse" (Regie: →Andreas Schulz, mit Jendreyko und Fuhrer); Letzteres wurde etwa hundert Mal aufgeführt. Später wieder grössere Projekte: 1997 Horváths "Jugend ohne Gott" in der alten Zollhalle des Badischen Bahnhofs, 1998 dort auch Schillers "Don Carlos" (Regie: Kerim Doosry) und 1999 Sartres "Geschlossene Gesellschaft" im Hotel "Euler" (Regie: Peter Keller und Jendreyko). Ausserdem seit 1994 regelmässig Lyriklesungen von Jendreyko und seiner Frau G. Antonia Jendreyko unter dem Titel "Lyrik im Od-Theater", darunter Programme zu Rilke, Nelly Sachs/Paul Celan, Else Lasker-Schüler, Rose Ausländer, Heinrich Heine und Ingeborg Bachmann. 2000 zeigte das O. zur Ausstellung "Cézanne. Vollendet – Unvollendet" im Kunsthaus Zürich das Cézanne-Projekt "Mit einem Apfel will ich Paris in Erstaunen versetzen" (Idee und Text: Jendreyko, Regie: Schulz, mit Jendreyko und Jürgen Schempp). Zudem 2000 Shakespeares "Romeo und Julia", 2001 "Tristan und Isolde" nach Gottfried von Strassburg (Regie beide: Jendreyko) jeweils in einem ehemaligen Lagerraum und 2003 "bye bye troja" nach Homer als Solo von Jendreyko (Regie: Matthias Deutschmann). Auszeichnungen: 1987 Kleiner Basler Kunstpreis der Basler Bahnhofsakademie und 1990 Werkjahr des Kantons Basel Stadt.
Autorin: Sylvia Zysset
Bibliografische Angaben zu diesem Artikel:
Zysset, Sylvia: Od-Theater, Basel BS, in: Kotte, Andreas (Hg.): Theaterlexikon der Schweiz, Chronos Verlag Zürich 2005, Band 2, S. 1339–1340, mit Abbildung auf S. 1340.