Urs Widmer

Aus Theaterlexikon - CH
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* 21.5.1938 Basel.

Jugend in Riehen, Studium der Germanistik, Romanistik und Geschichte in Basel, Montpellier und Paris. 1966 promovierte er mit einer Arbeit über die deutsche Nachkriegsprosa. Verlagslektor im Walter Verlag, Olten. 1967–84 lebte W. in Frankfurt, wo er 1967–68 als Lektor im Suhrkamp Verlag arbeitete. 1969 Gründungsmitglied des Verlags der Autoren, Literaturkritiker für die "Frankfurter Allgemeine Zeitung" und Dozent für neuere deutsche Literatur. Ende der sechziger Jahre veröffentlichte W. seine ersten Erzählungen ("Alois", 1968). Seine Romane, Essays, Hörspiele und Theaterstücke machten W. zu einem der bekanntesten Schweizer Autoren. Die Gegensätzlichkeit von Realität und Fantasie, Alltag und Sehnsucht bestimmte das am 6.12.1973 an den →Basler Theatern uraufgeführte Kriminalstück "Die lange Nacht der Detektive" (Regie: Niels-Peter Rudolph) und wurde zum Thema weiterer Stücke wie "Nepal" (Uraufführung 4.9.1977, Städtische Bühnen Frankfurt, Regie: Wolf Seesemann) und "Stan und Ollie in Deutschland" (Uraufführung 5.10.1979, Theater am Sozialamt, München, Regie: W.). Seine oft auf genauen Recherchen beruhenden dramatischen Arbeiten setzen sich auch mit der schweizerischen Zeitgeschichte und ihren Mythen auseinander. Den Brigadier und mutmasslichen sowjetischen Spion Jean-Louis Jeanmaire ("Jeanmaire. Ein Stück Schweiz", Uraufführung 23.10.1992 in einer alten Fabrikhalle in Bern-Liebefeld, Regie: →Rolf Lyssy) und den schweizerischen Gesandten im nationalsozialistischen Deutschland, Hans Frölicher ("Frölicher – ein Fest", Uraufführung 3.4.1991, →Vaudeville Theater Zürich im →Theaterhaus Gessnerallee Zürich, Regie: Stefan Viering) treibt er mit ständigen Zeiten- und Perspektivenwechseln in eine grausam-grelle Geschichtsrevue. Nach monatelanger Feldforschung in Zürcher Unternehmen entstand sein mehrfach ausgezeichnetes Stück "Top Dogs" (Uraufführung 14.5.1996, →Theater Neumarkt Zürich, Regie: →Volker Hesse): Entlassene Führungskräfte erproben ihre Managementqualitäten in kriegsähnlichen Rollenspielen. Weitere Bühnenwerke: "Züst oder Die Aufschneider" (Uraufführung 23.2.1981, Schauspiel Frankfurt, Regie: W.), «Dr Schtaats­schtreich» (Uraufführung 30.3.1983, Keller des →Schauspielhauses Zürich, Regie: →Jean Grädel), "Dr neu Noah" (Uraufführung 11.2.1984, Schauspielhaus Zürich, Regie: W.), Koautor der Zeitrevue "Das verschonte Land" (Uraufführung 26.9.1985, Schauspielhaus Zürich), "Bottoms Traum" (Uraufführung 1986, Literaturhaus Berlin), "Alles klar" (Uraufführung 31.12.1987, Theater am Neumarkt Zürich, Regie: Lyssy), "Der Sprung in der Schüssel" (Uraufführung 20.10.1990, Theater am Sozialamt, München, Regie: Anette Spola), "Sommernachtswut" (Uraufführung im Rahmen des Steirischen Herbstes 2.10.1993, Schauspielhaus Graz, Regie: →Peter Schweiger), "Die schwarze Spinne" (nach →Jeremias Gotthelf, Uraufführung 23.5.1998, Theater Neumarkt Zürich, Regie: Hesse), "Bankgeheimnisse" (Uraufführung 11.5.2001, Vaudeville Theater, Zürich, im Theaterhaus Gessnerallee Zürich, Regie: Viering). W. betätigt sich auch als Übersetzer, unter anderem von Bühnenwerken Becketts, Sean O’Caseys und Eugène Labiches. Er ist Mitglied der Deutschen Akademie der darstellenden Künste, der Akademie der Künste Berlin und der Deutschen Akademie für Sprache und Dichtung.

Auszeichnungen

unter anderem

  • 1974 Karl Sczuka-Preis des Südwestfunks Baden-Baden,
  • 1976 Hörspielpreis der Kriegsblinden,
  • 1985 und 2004 Preis der Schweizerischen Schillerstiftung,
  • 1989 Basler Literaturpreis,
  • 1996 Literaturpreis der Stadt Zürich,
  • 1997 Mülheimer Dramatikerpreis,
  • 1998 Heimito von Doderer-Literaturpreis,
  • 1999 Kulturpreis der Gemeinde Riehen,
  • 2001 Bertolt-Brecht-Preis der Stadt Augsburg und Franz-Nabl-Preis der Stadt Graz,
  • 2002 Grosser Literaturpreis der Bayerischen Akademie der schönen Künste,
  • 2003 Ernennung zum Mainzer Stadtschreiber.

Literatur

  • Arnold, Heinz Ludwig (Hg.): U. W., Text + Kritik, 1998 [mit Bibliografie].
  • Danielczyk, Julia: 700 Jahre Helvetia – (k)ein Grund zum Feiern? Auswirkungen der Debatten 1991 in den Werken Schweizer Dramatiker. Diplomarbeit Wien, 1995.


Autorin: Brigitte Marschall



Bibliografische Angaben zu diesem Artikel:

Marschall, Brigitte: Urs Widmer, in: Kotte, Andreas (Hg.): Theaterlexikon der Schweiz, Chronos Verlag Zürich 2005, Band 3, S. 2095–2096, mit Abbildung auf S. 2096.

Normdaten

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