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Heilkult

Das Asklepios-Heiligtum in Epidauros war ein berühmtes Kurzentrum, wo kranke Menschen Heilung suchten. Die Besucher hatten sich nach ihrer Ankunft zu reinigen und ein kleines Opfer darzubringen, zum Beispiel einen Honigkuchen. Auf ihrem Gang durch das Asklepieion erfuhren sie – wie der Reiseschriftsteller Pausanias – von den Leiden und wundervollen Heilungen früherer Kurgäste, deren Geschichten auf Holztäfelchen und steinernen Stelen aufgezeichnet waren:

«Innerhalb des heiligen Bezirks standen vor alters viele Stelen, zu meiner Zeit noch sechs. Auf ihnen sind die Namen von Männern und Frauen verzeichnet, die von Asklepios geheilt wurden, und dazu die Krankheit, an der jeder litt, und wie er geheilt wurde.»
(Pausanias: Beschreibung Griechenlands, II, 27, 3)

Die Heilungen in Epidauros erfolgten im Schlaf. Der Gott der Heilkunst erschien erst, wenn die Besucher auf ihren Lagern in den Liegehallen eingeschlafen waren. Die Behandlung durch Asklepios war nicht unentgeltlich. Wie hoch das Honorar ausfiel, überliess der Gott jedoch den Patienten, die ihren Dank zum Beispiel in einem Weihrelief zum Ausdruck bringen konnten. Das Heiligtum muss allerdings auch stattliche Geldbeträge eingenommen haben, denn es war im Verlauf des 5. Jahrhunderts v. Chr. nicht nur berühmt, sondern auch reich geworden. Dies belegen die prachtvollen Neubauten des 4. und 3. Jahrhunderts v. Chr., darunter auch das Theater.

Das Theater von Epidauros fiel Pausanias auf seiner Griechenlandreise im 2. Jahrhundert n. Chr. als herausragend auf: «Die Epidaurier haben in dem Heiligtum ein Theater, das nach meiner Meinung besonders sehenswert ist. Die der Römer übertreffen alle anderen überall durch ihre Ausstattung, das arkadische in Megalopolis tut es durch seine Grösse. Welcher Architekt könnte aber wohl hinsichtlich Ebenmass und Schönheit mit Polyklet wirklich in Wettbewerb treten?»
(Pausanias: Beschreibung Griechenlands, II, 27, 5)

 

Alle zwei Jahre fand in Epidauros ein Fest zu Ehren des Asklepios statt. Neben einer Prozession gehörten ein athletischer und ein musischer Wettbewerb zum Festprogramm. Der athletische Wettkampf ist durch ein Gedicht Pindars über einen Pankration-Sieger bereits für das frühe 5. Jahrhundert v. Chr. belegt. Etwa ein Jahrhundert später findet sich mit Platons «Ion» der Nachweis für einen Rhapsodenwettbewerb:

«SOKRATES: Willkommen dem Ion! Woher kommst du uns jetzt gewandert?
wohl von Hause aus Ephesos?
ION: Mit nichten, Sokrates; sondern von Epidauros vom Feste des Asklepios.
SOKRATES: Halten etwa die Epidaurier dem Gotte zu Ehren auch einen Wettstreit von Rhapsoden?
ION: Jawohl, so wie auch in den übrigen Musenkünsten.
SOKRATES: Wie also? hast du uns mitgekämpft? und mit welchem Erfolge hast du gekämpft?
ION: Den ersten Preis haben wir davon getragen, Sokrates.»
(Platon: Ion, 530 a–b)

Beide Nachweise gehen der grossen baulichen Entfaltung des Heiligtums zeitlich voraus. Sie machen deshalb deutlich, dass Stadion und Theater für eine bereits bestehende Festpraxis errichtet wurden, deren Infrastruktur der wachsenden Besucherzahl nicht mehr genügte.

Im Asklepios-Heiligtum von Pergamon wurde der ursprüngliche
Versammlungsraum im Eingangsbereich im 2. Jahrhundert n. Chr.
durch ein Theater an der Nordwestecke des heiligen Bezirkes ersetzt.