Reinhart Spörri
* 28.7.1930 Oerlikon ZH.
Studium der Germanistik, Kunstgeschichte und Volkskunde an der Universität Zürich (Promotion 1954: "Dramatische Rhythmik in Kleists Komödien"). Daneben ab 1950 als Beleuchter am →Schauspielhaus Zürich tätig. Sprechausbildung bei →Ellen Widmann. 1954 Regiedebüt am Schultheater des Landestheaters Darmstadt mit Molières "Scapins tolle Streiche". 1955–57 Inspizient und Regisseur am →Stadttheater Chur unter der Direktion von →Markus Breitner, dort 1958/59 und 1960/61 erneut als Gastregisseur. Es folgten Inszenierungen unter anderem am →Stadttheater St. Gallen, am Theater für Vorarlberg in Bregenz, am →Stadttheater Luzern, an der →Komödie Basel (1958 Shakespeares "Zweierlei Mass"), am →Städtebundtheater Biel-Solothurn (ebenfalls unter Breitners Direktion), 1957–63 am Schauspielhaus Zürich (unter der Direktion von →Oskar Wälterlin, anschliessend von →Kurt Hirschfeld, beispielsweise 1958 →Paul Hallers Dialektschauspiel "Marie und Robert", 1959 Schillers Trilogie "Wallenstein" und 1962 Anouilhs "Becket oder Die Ehre Gottes"), am →Sommertheater Winterthur (ebenfalls unter Breitners Leitung, beispielsweise 1959 Goldonis "Der Rappelkopf"). 1961–68 Regisseur am Düsseldorfer Schauspielhaus unter der Intendanz von Karl Heinz Stroux, wo er über zwanzig Inszenierungen realisierte (beispielsweise 1962 die deutsche Erstaufführung von →Max Frischs "Andorra"). Dort leitete er zudem 1963–68 als Besetzungsdramaturg den künstlerischen Betrieb. Ausserdem war er 1960–66 Regisseur der von der →Theater- und Musikgesellschaft Zug jährlich im Sommer veranstalteten Freilichtspiele in der Burg Zug (beispielsweise 1961 Gozzis "Die philosophische Prinzessin"). Nach seiner Rückkehr in die Schweiz war S. 1967/68 Oberspielleiter des Schauspiels am →Stadttheater Basel (unter anderem Shakespeares "Wie es euch gefällt", Frischs "Biografie. Ein Spiel" und Hacks’ "Die Schlacht bei Lobositz"), wo er bereits 1966 als Gast inszeniert hatte. 1968–71 Oberspielleiter und Dramaturg am →Theater am Neumarkt Zürich unter der Direktion von →Felix Rellstab (unter anderem 1968 Molières "Der fliegende Arzt" und die Uraufführung von →Franz Hohlers "Bosco schweigt" sowie 1969 die Schweizer Erstaufführung von Martin Walsers "Die Zimmerschlacht"). Daneben Tätigkeit als Gastregisseur am Hessischen Staatstheater Wiesbaden, am →Theater Heddy Maria Wettstein in Zürich (1969 Uraufführung von →Adolf Muschgs "Verkauft"), am Sommertheater Winterthur (1970 Goldonis "Mirandolina") sowie erneut am Theater für Vorarlberg und am Stadttheater Chur, dessen Leitung er 1971–75 übernahm. Ebenfalls 1971 gründete S. zusammen mit Theaterleuten, Mäzenen und Politikern das →Theater für den Kanton Zürich, das er bis 1995 leitete und das als genossenschaftlich organisiertes, professionelles Wandertheater in den Zürcher Landgemeinden Vorstellungen gibt. Als Leiter zweier Bühnen nutzte S. die Möglichkeit, die Produktionen des Ensembles in Chur auch im Kanton Zürich zu zeigen und umgekehrt mit den Zürcher Produktionen im Stadttheater Chur zu gastieren. Während seiner 24-jährigen Direktionszeit am Theater für den Kanton Zürich inszenierte S. rund achtzig der insgesamt etwa 140 Produktionen, unter anderem sieben Komödien von Molière ("Der Geizige" zweimal als Neuinszenierung), sechs Komödien von Shakespeare sowie dessen Tragödie "Macbeth", rund zwanzig Theaterstücke von Schweizer Autoren des 20. Jahrhunderts wie →Friedrich Dürrenmatt, Frisch, →Hanspeter Gschwend (1979 die Uraufführung von "Dr. Alfred Escher oder Es lebe die Republik"), →Meinrad Inglin (1976 die postume Uraufführung von "Der Robbenkönig"), →Herbert Meier sowie →Hansjörg Schneider (insgesamt vier Produktionen, darunter drei Uraufführungen, beispielsweise 1988 "Das kalte Herz" nach Hauff), moderne Klassiker des ausgehenden 19. und des 20. Jahrhunderts (beispielsweise 1979 Pirandellos "Sechs Personen suchen einen Autor", 1979, 1982 und 1985 Stücke von Hauptmann und 1990 O’Neills "Fast ein Poet") sowie Klassiker des romanischen Sprachraums von Goldoni, Gozzi und Calderón. Zudem pflegte S. am Theater für den Kanton Zürich Mundartbearbeitungen, in denen er bisweilen als Schauspieler auftrat. Mit Wirkung auf Ende der Spielzeit 1994/95 – S. hatte mittlerweile das Pensionsalter erreicht – löste der Genossenschaftsvorstand den Vertrag mit ihm auf. In der folgenden Spielzeit inszenierte er zum 25-jährigen Jubiläum des von ihm gegründeten Theaters die Mundartfassung "De Grochsi" nach Molières "Der eingebildete Kranke". Ab 1995 wirkte S. als freier Regisseur, unter anderem am Theater Heddy Maria Wettstein (beispielsweise 1997 Albees "Drei grosse Frauen", unter anderen mit →Heddy Maria Wettstein). Ausserdem inszenierte S. einige Fest- und Freilichtspiele, beispielsweise 1995 "De Stääfner Handel" in Stäfa (Text: S.), 1997 Hauptmanns "Schluck und Jau" in der Bearbeitung von →Heinz Stalder für das →Landschaftstheater Ballenberg, das er in diesem Jahr auch leitete, und 2000 "Vor luuter Vorsicht passiert öppis Küens" in Bischofszell zu dessen 850-jährigem Bestehen (Text: S.) sowie Amateurtheaterproduktionen. S. engagierte sich auch als Pädagoge, war in den sechziger Jahren am →Bühnenstudio Zürich als Dozent tätig und bildete am Theater für den Kanton Zürich Schauspieler aus. Er publizierte unter anderem "Die Commedia dell’arte und ihre Figuren" (1963, wieder aufgelegt 1977) und übersetzte Theaterstücke in den Zürcher Dialekt.
Auszeichnungen
- 1979 Ehrengabe des Kantons Zürich,
- 1983 →Hans Reinhart-Ring der →SGTK,
- 1995 Ehrenmitglied des Theaters für den Kanton Zürich,
- Ehrenmitglied des →SBV.
Literatur
- Mimos 2/1983.
Autor: Mats Staub
Bibliografische Angaben zu diesem Artikel:
Staub, Mats: Reinhart Spörri, in: Kotte, Andreas (Hg.): Theaterlexikon der Schweiz, Chronos Verlag Zürich 2005, Band 3, S. 1714–1715.