Bernhard Diebold
* 6.1.1886 Zürich, † 9.8.1945 Zürich, eigentlich Dreifus.
1902 nahm er den leicht modifizierten Namen seiner Mutter an. 1904–06 Studium der Jurisprudenz in Zürich. Volontär am Burgtheater Wien, wo er kleinere Rollen spielte. Ab 1908 Studium der Theaterwissenschaft und Germanistik bei Max Herrmann und Erich Schmidt in Berlin; 1912 Promotion in Bern mit der Arbeit "Das Rollenfach im deutschen Theaterbetrieb des 18. Jahrhunderts". 1912/13 Schauspieler am Komödienhaus Berlin, ab 1913 Dramaturg und Regisseur am Münchner Schauspielhaus, für kurze Zeit auch an der Neuen Oper in Hamburg. 1916 begann D., für verschiedene Zeitungen kulturkritische Beiträge und Feuilletons zu schreiben, unter anderem für die "Neue Zürcher Zeitung". 1917–35 Kulturredakteur an der "Frankfurter Zeitung". Für sie schrieb er Theaterkritiken, Essays, Reiseberichte und scherzhafte Feuilletons; von 1928 an berichtete er aus Berlin über das dortige Theaterleben, nun auch über die Oper. Mitarbeit bei verschiedenen deutschen Literatur-Zeitschriften sowie bei der "Neuen Schweizer Rundschau". D. galt als einer der wichtigsten deutschsprachigen Theaterkritiker, und seine Bücher waren wesentliche Beiträge zur Ästhetik des Dramas und Theaters der zwanziger Jahre ("Anarchie im Drama", Erstausgabe 1921, mehrfach neu aufgelegt und erweitert; "Der Denkspieler Georg Kaiser", 1924). Die Arbeitendes Regisseurs Erwin Piscator hielt er für zukunftsweisend. Nach der Machtübernahme der Nationalsozialisten blieb D. zunächst in Berlin, musste aber 1935 nach seinem Ausschluss aus der Reichsschrifttumskammer das Land verlassen. Er kehrte nach Zürich zurück, blieb aber weiterhin als Korrespondent für die "Frankfurter Zeitung" tätig; 1936 wurde er dort jedoch mit Schreibverbot belegt. In der Folge versuchte er vergeblich, sich als Autor von Prosawerken ("Das Reich ohne Mitte", Roman 1938), Opernlibretti ("Der unsterbliche Kranke", 1940) und mit Filmskripts einen Namen zu machen. Von 1939 bis zu seinem Tod war er Theaterkritiker der Zürcher Tageszeitung "Die Tat" und Mitarbeiter verschiedener Schweizer Zeitungen und Zeitschriften, unter anderem des «Schweizer Journals». Er setzte sich intensiv mit dem Theaterleben des Landes auseinander, litt aber unter der Enge der Verhältnisse. Bis zuletzt orientierte er sich am deutschen Idealismus und stand der materialistischen Weltsicht →Bertolt Brechts sehr skeptisch gegenüber. 1937–45 Mitglied des Theatervereins Zürich; Dozent und Mitglied der Prüfungskommission am →Bühnenstudio Zürich.
Literatur
- Seidl, Wolf: Die geistige Haltung der neueren deutschen Theaterkritik, 1951.
- Hesse, Volker: Das theaterkritische Werk B. D.s. Dissertation der Universität Wien, 1971.
Nachlass
- Archiv der Akademie der Künste, Berlin, und
- Schweizerische Theatersammlung, Bern.
Autor: Tobias Hoffmann-Allenspach
Bibliografische Angaben zu diesem Artikel:
Hoffmann-Allenspach, Tobias: Bernhard Diebold, in: Kotte, Andreas (Hg.): Theaterlexikon der Schweiz, Chronos Verlag Zürich 2005, Band 1, S. 465–466.