Quodlibet, Basel BS

Aus Theaterlexikon - CH
Zur Navigation springen Zur Suche springen

Amateurtheater mit Aufführungen in lokaler Mundart und auf Hochdeutsch

Das Q. wurde von Kreisen des Basler Bürgertums am 9.10.1858 als Verein mit dem Zweck gegründet, durch verschiedene Kunstgattungen den Mitgliedern "fröhliche und genussreiche Abende" zu verschaffen. Noch im gleichen Jahr veranstaltete der Verein grössere öffentliche Abendunterhaltungen. Mit der Aufführung von Kotzebues Lustspiel "Der gerade Weg, der Beste" wurde am 20.11.1858 im Kleinbasler Gesellschaftshaus "Zum Spitz" die Theatertätigkeit und damit Basels erste Liebhaberbühne eröffnet. Mit zunehmender Mitgliederzahl und einer Statutenänderung von 1869 etablierten sich innerhalb des Q. die fünf Sektionen "Musik", "Gesang", "Theater", "Humor" und "Materielles" (Infrastruktur). Die Mitglieder wurden dazu angehalten, sich selbst künstlerisch zu betätigen, auch wenn das Q. von Beginn an mit Fachkräften des →Stadttheaters Basel zusammenarbeitete. Im 19. Jahrhundert nahmen die Sektionen "Musik" und "Gesang" innerhalb des Vereins den Vorrang ein: Sie pflegten Ouvertüren aus Werken Rossinis, Mozarts, Aubers, Conradin Kreutzers, Suppés, Serenaden und Sonaten Beethovens, Märsche, aber auch Gesangsvorträge und Duette. Die Theatersektion brachte Lustspiele, Possen und Schwänke von zeitgenössischen Erfolgsautoren wie Roderich Benedix, Ignaz F. Castelli, Theodor Körner, Julius Rosen oder Carl A. Görner. Häufige Einlagen der humoristischen Sektion waren "Lebende Bilder", "Sprechende Automaten", Schnitzelbänke und satirische Couplets. 1877 folgte mit einer Szene aus Schillers "Wilhelm Tell" die erste Aufführung eines klassischen Textes. Bereits im 19. Jahrhundert gab das Q. gemeinnützige Veranstaltungen im Stadttheater Basel, beteiligte sich massgeblich an der Basler Fastnacht, organisierte in der Burgvogtei und im Casino Feste, später auch populäre Bälle. Wenige Jahre nach der Jahrhundertwende ging das Q. dazu über, anstelle hochdeutscher Stücke baseldeutsche Bühnenwerke aufzuführen (Carl Brenner-Senns "S Dschohlis"). Gleichzeitig gewannen nach einer Statutenänderung von 1907 dramatische Aufführungen und die Veranstaltung literarischer Abende gegenüber Musik, Gesang und Humor an Gewicht. Mit Preisausschreiben versuchte der Verein, die Produktion einheimischer, gehobener Dialektdramatik anzuregen. Das Q. spielte in der Folge Stücke von Albertine Nüsseler ("E Dischpedat mit tragisch-komische Folge", Uraufführung 30.10.1909), Gustav Steiner ("Hans Münch", Uraufführung 8.1.1910, Stadttheater Basel), vor allem aber von →Dominik Müller ("In dr Maienacht", "Bloggti Lyt", "S’ Ibergangsstadium"), die das Q. auch an Theatern in Luzern, Solothurn, St. Gallen, Bern und Zürich zeigte. Zu den Schauspielern zählten unter anderen Vally Preiswerk, Elsi und Moritz Ruckhaeberle und Pius Ernst Buser. Im Heimatschutztheater der Landesausstellung 1914 in Bern führte das Q. Basler Dialektstücke auf und gab "Käsperli"-Vorstellungen. Das 1911 gegründete "Käsperlitheater" gab auch Gastspiele, beispielsweise beim Munot-Verein in Schaffhausen. Während des Ersten Weltkriegs veranstaltete das Q. zahlreiche Wohltätigkeitsveranstaltungen im Stadttheater Basel, zu dessen Direktor Leo Melitz gute und enge Beziehungen bestanden. Zum Beispiel wurde am 7.3.1917 →Jakob Bührers "Die Nase" und →Otto von Greyerz’ "Frau Dubedanz" aufgeführt. In den Jahren vor und nach dem Ersten Weltkrieg veranstaltete das Q. literarische Vortragsabende, die führende Schriftsteller nach Basel brachten, darunter Hermann Burte, Hans Carossa, Greyerz, Gerhart Hauptmann, Hermann Hesse, →Alfred Huggenberger, →John Knittel, Heinrich Mann, Thomas Mann, Rainer Maria Rilke, →Jakob Schaffner, Arthur Schnitzler, Carl Spitteler, →Albert Steffen, Rudolf von Travel, Fritz von Unruh, →Frank Wedekind, Franz Werfel und Stefan Zweig. Aus der Statutenänderung von 1919 ging die Theatersektion wiederum gestärkt hervor und verstärkte ihre Bemühungen zur Pflege und Erweiterung des baseldeutschen Dialekttheaters. Im neu gegründeten Verlag des Q. erschienen in den zwanziger Jahren fünfzehn Dramen. Am 21.2.1919 kam es zur Aufführung von Bührers "Volk der Hirten" im Stadttheater Basel, am 5.7.1919 erfolgte aus Anlass des 100. Geburtstags des Dichters die Freilichtaufführung eines Gottfried Keller-Spiels von →Carl Albrecht Bernoulli im Park des Sommerkasinos Basel (Regie: Melitz). Ein im gleichen Jahr durchgeführter Dramenwettbewerb führte zur Uraufführung von Fritz Liebrichs "Masken" (7.12.1920) und Bernoullis "Der Stellvertreter" (21.12.1920) am Stadttheater Basel. In den zwanziger und frühen dreissiger Jahren des 20. Jahrhunderts erreichte die Aktivität des Q. ihren Höhepunkt mit Aufführungen von Stücken unter anderem von Moritz Ruckhaeberle, Dominik Müller, Abraham Glettyse (Wilhelm Christ), Felix Sauerleu (Albert Oeri), Bernoulli, Bührer und vor allem von →Hermann Schneider, der das Q. mit herausragenden Stücken belieferte und ihm 1928–31 als Thetaerchef diente. Gastspiele führten das Q. nicht nur auf verschiedene Schweizer Bühnen, sondern auch nach Mülhausen und Strassburg. Zudem war das Q. an zahlreichen Hörspielproduktionen beteiligt. Durch den Zweiten Weltkrieg wurde das Vereinsleben stark beeinträchtigt, doch gelang es Schneider (Präsident 1943–48) weiterhin Aufführungen lokaler Autoren zu organisieren, etwa Otto Müllers "Dr Basler Pygmalion" (nach Shaw, Hauptrolle: →Alfred Rasser, 1942), →Rudolph Bolo Maeglins "Tricolore über dem Elsass" (Uraufführung 8.4.1945, →Küchlin-Theater Basel, Regie: Max Bachmann) oder Schneiders "Ein Friedensspiel" (Uraufführung 12.6.1945, Münsterplatz Basel, Regie: →Albert Wiesner). Mit dem Ende des Kriegs und dem Ende von Schneiders Präsidentschaft verringerten sich die Aktivitäten des Q. In den fünfziger Jahren verhinderten finanzielle Probleme grössere Aufführungen, es wurden hauptsächlich bunte Abende veranstaltet. Nach einem erfolglosen Versuch der Wiederbelebung wurde das Q. schliesslich im Jahr seines hundertjährigen Bestehens in einen Bridgeclub umgewandelt. Zum seinem 25., 40., 50., 60. und 75. Jubiläum veröffentlichte das Q. jeweils eine Festschrift, 1911–54 erschien die Vereinszeitschrift "Q.".

Archiv

  • Staatsarchiv des Kantons Basel-Stadt, Basel.


Autor: Reto Caluori



Bibliografische Angaben zu diesem Artikel:

Caluori, Reto: Quodlibet, Basel BS, in: Kotte, Andreas (Hg.): Theaterlexikon der Schweiz, Chronos Verlag Zürich 2005, Band 2, S. 1450–1451, mit Abbildung auf S. 1451.