Puppentheater Felicia am Goetheanum, Dornach SO

Aus Theaterlexikon - CH
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Figurentheater mit festem Kernensemble und eigener Spielstätte, Eigenproduktionen und Gastspiele

Am 14.4.1934 eröffnete das →Goetheanum in Dornach das Marionettentheater Felicia mit Goethes Singspiel "Scherz, List und Rache" unter der Leitung von Erika und Richard Bargum. Bereits nach drei Jahren verliess das Ehepaar 1937 das Theater, und das Puppenspiel wurde für längere Zeit eingestellt. 1944–51 betrieben ehemalige Mitglieder dieses Marionettentheaters unter der Leitung von Heinrich O. Proskauer und unabhängig vom Goetheanum im ersten Stock am Marktplatz 6 in Basel (heute nicht mehr existierender Bau neben dem Rathaus) das Marionettentheater zum Gold. Auf der fest eingebauten Marionettenbühne wurden vor allem Stücke von Franz Graf von Pocci gespielt. Für Gastspielreisen stand eine mobile Bühne zur Verfügung. 1952 gründete der ehemalige Felicia-Mitarbeiter Proskauer zusammen mit Hilde und Gerda Langen in Dornach das neue Puppentheater Felicia. Einige Mitglieder dieser Bühne hatten zuvor am Marionettentheater zum Gold mitgewirkt. Ab diesem Zeitpunkt wurden regelmässig Märchen und Kasperstücke von Hilde und Gerda Langen produziert. 1972 übernahm Mathias Ganz, seit 1968/69 Mitarbeiter des P.s, die Leitung. 1985 stiess Monika Lüthi als Spielerin zum Ensemble und übernahm immer mehr Leitungsfunktionen. Seit 2005 ist sie Leiterin des P. 1984 gründete Ganz den Verein Puppentheater Felicia und mietete 1985 zusammen mit der Goetheanum-Bühne einen früheren Kinoraum in Dornach, den die beiden Ensembles nach einem sanften Umbau gemeinsam als Theatersaal nutzten. Das Kernensemble besteht aus drei Personen; je nach Grösse der Produktionen wird das Ensemble durch sechs bis acht ehrenamtliche Mitglieder vergrössert. 1986–99 wurde das P. über das Goetheanum finanziert, seit 2000 muss es einen eigenen Finanzierungsbeitrag leisten (Akquisition von Fremdbeiträgen). Das P., seit 1985 Bestandteil der neu geschaffenen Abteilung Puppenspiel in der Sektion für redende und musizierende Künste am Goetheanum, hat sich zum Ziel gesetzt, Märchen, Mythen und Sagen nach anthroposophischem Kunstverständnis umzusetzen. Grundsätzlich werden die Texte live gesprochen, die Musik wird live gespielt. Das P. arbeitet mit Marionetten, Hand‑ und Stabpuppen, Tischmarionetten, präsentiert Stehfigurenspiele, farbige Schattenspiele und farbige Transparentbilder. Prägend für das P. war die Zusammenarbeit mit den anthroposophischen Puppenspielerinnen Elisabeth Schöneborn und Dagmar Funcke. Einige ihrer Inszenierungen sind dem P. samt Bühnenkonstruktion, Ausstattung und Musik überlassen worden: von Schöneborn "Tischlein deck dich", "Schneeweisschen und Rosenrot", "Die Goldkinder", "Das Borstenkind" und "Das Märchen von der grünen Schlange und der schönen Lilie" von Goethe, mit dem 1985 die neue Spielstätte im ehemaligen Kino eröffnet wurde, sowie von Funcke unter anderem "Die drei Königreiche", ein Farbschattenspiel mit Transparentfiguren. In den neunziger Jahren wurden mit Hand- und Stockpuppen Märchen der Brüder Grimm für eine fünf Meter breite Simultanbühne in Szene gesetzt, unter anderen "Hänsel und Gretel" und "Frau Holle". Daneben entstanden für die Tischbühne als kleinere Inszenierungen Stehfigurenspiele von Grimms Märchen, etwa "Rapunzel", "Rotkäppchen" und "Dornröschen". Das P. gibt jährlich sechzig bis siebzig Vorstellungen (eigene Produktionen und Gastspiele anderer Bühnen) und gastierte mit seinen Inszenierungen am →Theater Stadelhofen Zürich und am →Winterthurer Marionettentheater im Waaghaus Winterthur sowie an nationalen und internationalen Figurentheaterfestivals. Ab 1973 organisierten Ganz und der Sektionsleiter Hagen Biesantz zunächst im Zwei-Jahres-Rhythmus die "Öffentliche Tagung für Puppenspieler" im Goetheanum, 1995 beispielsweise unter dem Motto "Puppenspiel – ein Heilmittel gegen Zivilisationsschäden". Zudem veranstaltet das P. Puppenspielkurse, und die Sektion für redende und musizierende Künste lädt einmal im Jahr zu Arbeitstagen ein. Verbandsmitglied: →UNIMA Suisse.

Spielstätte

1934–37: Marionettentheater Felicia, Goetheanum, 4143 Dornach. Eröffnung: 14.4.1934 im kleinen Saal der Schreinerei (in einem Nebengebäude des Goetheanums) mit Goethes Singspiel "Scherz, List und Rache" (Musik: Max Schuurmann, Regie: Käthe Mohr-Hacker). Mobile Bühne. 1952–81: Puppentheater Felicia, Dorneckstrasse 2, 4143 Dornach. Im neu errichteten Anbau in organisch-lebendiger Bauweise an das "Haus zu den sieben Zwergen" wurden ein kleiner Saal sowie ein Eingangsbereich und ein kleiner Lagerraum eingerichtet. Eröffnung: 1952. Platzkapazität: 80–100 Plätze. Saal (der Bauweise entsprechend polygonal): zirka 5,5 m lang, 7,8 m breit. Fest eingebaute Puppenspielbühne. Portal: 1,4 m breit, 0,7 m hoch. Bühnenraum: 6,5 m breit, 2–2,8 m tief. Zusätzlich stand für Gastspiele die mobile Bühne des früheren Marionettentheaters zum Gold zur Verfügung. 1985–96: Puppentheater Felicia, Amtshausstrasse 8, 4143 Dornach (ehemaliger Kinosaal; heute: Neues Theater am Bahnhof). Eröffnung: 1.6.1985 mit dem Puppenspiel "Das Märchen von der grünen Schlange und der schönen Lilie" von Goethe. Saal: zirka 10 m breit, zirka 25 m lang. Mobile Puppenspielbühne. Platzkapazität: rund 140 Plätze. Seit 1996: Puppentheater Felicia am Goetheanum, Rudolf Steiner Halde 2, 4143 Dornach. Architekt: Albert von Baravalle. Baujahr: 1933 (konzipiert als Atelier- und Wohnraum "Halde 2", erbaut im organisch-lebendigen Baustil). Nachdem der Raum zunächst unterschiedlich genutzt wurde, dient er seit 1996 dem P. als Spielstätte. Eröffnung: 1./2.6.1996 mit den Handpuppenspielen "Frau Holle" und "Die goldene Gans" der Brüder Grimm (Regie: Lüthi, Bühnenbild: Ganz, Figuren: Heidi de Cler, Harfe: Eva Heizmann) sowie mit einem Referat mit Rezitation und Musik. Saal: 8,2 m breit, 11,3 m lang, 4 m hoch (abgeflacht). Mobile Bühnen (2005 waren es 8 verschiedene). Platzkapazität: 50–80 Plätze.

Literatur

  • Lüthi, Monika: Das Puppen- und Figurenspiel im Zusammenhang mit Rudolf Steiners Kunstimpuls. In: Puppen- und Figurenspiel. Arbeitsheft 2, herausgegeben von der Sektion für redende und musizierende Künste, Abteilung Puppenspiel, Goetheanum, 1991 [mit einer Chronik des P.].
  • Schöneborn, Elisabeth: Alles an Fäden… Ein Leben mit dem Puppenspiel, 1997.


Autorin: Nicole Ziegler



Bibliografische Angaben zu diesem Artikel:

Ziegler, Nicole: Puppentheater Felicia am Goetheanum, Dornach SO, in: Kotte, Andreas (Hg.): Theaterlexikon der Schweiz, Chronos Verlag Zürich 2005, Band 2, S. 1444–1445.