Rolf Liebermann

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* 14.9.1910 Zürich, † 2.1.1999 Paris (F). Grossneffe des Berliner Malers Max L. ∞ II. 1982 Hélène Vida, Journalistin und Fernsehredakteurin.

Während des Jurastudiums in Zürich 1929–33 Musikunterricht am Privatkonservatorium von José Berr, daneben erste Kompositionen (Chansons, Theatermusik). L. vertonte unter anderem für seine damalige Lebensgefährtin, die am →Schauspielhaus Zürich engagierte Schauspielerin Liselott Wilke (später berühmt unter dem Namen Lale Andersen), Gedichte von →Bertolt Brecht. In den dreissiger Jahren Komponist, Pianist und musikalischer Leiter bei der →Volksbühne Zürich (zusammen mit →Huldreich Georg Früh), dort 1936 und 1937 Bühnenmusik für →Robert Tröschs Stücke "Erster Mai", "Chruut und Rüebli" und "Auf die Maschinen!", sowie Pianist beim →Cabaret Bärentatze. Dirigierschüler, Privatsekretär und 1937–38 Assistent von →Hermann Scherchen in Wien. Nach dem Anschluss Österreichs an Deutschland Rückkehr in die Schweiz. Ab 1940 Kompositionsunterricht bei →Wladimir Vogel. Während des Zweiten Weltkriegs Pianist bei Stummfilmvorführungen und Theatervorstellungen im Volkshaus Zürich sowie Tätigkeit als Musikkritiker. Auf Initiative Scherchens wurde L. 1945 Tonmeister des Studioorchesters von Radio Beromünster in Zürich. 1950–57 dort als Nachfolger Scherchens Leiter der Abteilung Musik und 1957–59 in gleicher Funktion beim Norddeutschen Rundfunk. In den vierziger und fünfziger Jahren Komposition von Bühnenmusik für das Schauspielhaus Zürich (1946 für Giraudoux’ "Die Irre von Chaillot" und 1948 für Jewgenij Schwarz’ "Der Schatten"), von Liedern für das →Cabaret Cornichon und das →Cabaret Federal sowie Hörspielmusik. Ausserdem entstanden in dieser Zeit drei erfolgreiche Opern auf Libretti von Heinrich Strobel: "Leonore 40/45" (Uraufführung 25.3.1952, →Stadttheater Basel, Regie: →Friedrich Schramm, musikalische Leitung: →Alexander Krannhals), "Penelope" (Uraufführung 17.8.1954, Salzburger Festspiele, Regie: Oscar Fritz Schuh, musikalische Leitung: George Szell) und "Die Schule der Frauen" nach Molière (Uraufführung der einaktigen Kurzfassung 3.12.1955, Louisville USA, Regie und musikalische Leitung: Moritz Bomhard; Uraufführung der dreiaktigen Fassung 17.8.1957, Salzburger Festspiele, Regie: Schuh, musikalische Leitung: Szell). 1959–73 und erneut 1985–88 war L. Intendant der Hamburgischen Staatsoper, die unter seiner Leitung zu einem wichtigen Zentrum zeitgenössischen Musiktheaters wurde und der er zu internationalem Ansehen und einer Auslastung von über neunzig Prozent verhalf. Als Intendant erteilte L. zahlreiche Kompositionsaufträge und brachte über zwanzig Opern zur Uraufführung (unter anderem Henzes "Der Prinz von Homburg" und Mauricio Kagels "Staatstheater"). 1973–80 Generalintendant des Théâtre national de l’Opéra in Paris, das unter seiner Leitung ebenfalls zu internationalem Renommee gelangte. 1982–88 Leiter der Sommerakademie des Mozarteums Salzburg. In einer zweiten Schaffenszeit als Komponist brachte L. erneut bedeutende Bühnenwerke hervor: "La Forêt" (Text: Vida nach Ostrowski, Uraufführung 8.4.1987, →Grand Théâtre in Genf, Regie: Gilbert Deflo, musikalische Leitung: Jeffrey Tate), die Jazz­oper "Cosmopolitan Greetings" zusammen mit →George Gruntz (Text: Allen Ginsberg, Regie und Bühnenbild: Robert Wilson, Uraufführung 1988, auf Kampnagel in Hamburg) und "Freispruch für Medea" (Libretto: Ursula Haas, Uraufführung 24.9.1995, Hamburgische Staatsoper, Regie: Ruth Berghaus, musikalische Leitung: Gerd Albrecht; Uraufführung der Neufassung "Medea" 1.6.2001, →Stadttheater Bern, Regie: Philippe Godefroid/Françoise Terrone, musikalische Leitung: →Daniel Klajner). L. schrieb auch Filmmusik und führte 1966 zusammen mit Richard Leacock Regie beim Dokumentarfilm "A Stravinsky Portrait". Ausserdem war er Produzent mehrerer Opernfilme (unter anderem von Mozarts "Don Giovanni", 1979, Regie: Joseph Losey, musikalische Leitung: Lorin Maazel). 1982 übernahm L. die Inszenierung von →Richard Wagners "Parsifal" am Grand Théâtre in Genf (musikalische Leitung: →Horst Stein). 1976 erschienen seine Memoiren unter dem Titel "Actes et entractes" (1977 auf Deutsch unter dem Titel "Opernjahre"). Ab 1993 war L. Präsident des europäischen Dachverbands der Opernfördervereine.

Auszeichnungen

Zahlreiche internationale und nationale Ehrungen, unter anderem

  • 1947 Conrad Ferdinand Meyer-Preis,
  • 1957 Musikpreis der Stadt Zürich,
  • 1971 →Hans Reinhart-Ring der →SGTK,
  • 1974 Commandeur de l’Ordre de la Légion d’Honneur,
  • 1987 "Wappenmedaille in Gold" der Landeshauptstadt Salzburg,
  • 1991 Premio "Lorenzo il Magnifico" für Musik der Accademia Internazionale Medicea in Florenz,
  • 1997 Goethe-Medaille der Stadt Weimar und
  • Grand prix de la musique der Stadt Paris, sowie
  • Commandeur de l’Ordre des Arts et des Lettres und
  • Grosses Verdienstkreuz mit Stern der Bundesrepublik Deutschland.

Literatur

  • Scharberth, Irmgard/Paris, Herbert (Hg.): R. L. zum 60. Geburtstag, 1970.
  • Hamburgische Staatsoper (Hg.): R. L. in Hamburg, 1999.
  • Aurbek, Gisa: R. L., 2001.

Nachlass

  • Paul Sacher Stiftung, Basel.


Autorin: Verena Naegele



Bibliografische Angaben zu diesem Artikel:

Naegele, Verena: Rolf Liebermann, in: Kotte, Andreas (Hg.): Theaterlexikon der Schweiz, Chronos Verlag Zürich 2005, Band 2, S. 1105–1106.

Normdaten

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