Leopold Lindtberg
* 1.6.1902 Wien (A), † 18.4.1984 Sils Maria GR, eigentlich Leopold Lemberger. ∞ 1941 Valeska Hirsch, Pianistin. Vater der Schauspielerin →Bettina L.
Rollenstudium bei →Josef Danegger (* 1865) sowie Studium der Germanistik, Kunstgeschichte und Theaterwissenschaft in Wien. 1924 Debüt als Schauspieler am Dramatischen Theater Berlin. 1925/26 am Stadttheater Düsseldorf, 1926/27 am Stadttheater Bielefeld, dort Regiedebüt mit →Frank Wedekinds "Der Liebestrank", 1927/28 als Schauspieler und Regisseur an der Piscator-Bühne Berlin, 1928/29 am Theater der Stadt Koblenz, 1929/30 erneut an der Piscator-Bühne Berlin, daneben in Bielefeld und Breslau, 1929 sowie 1930 bis März 1933 Regisseur an den Preußischen Staatstheatern Berlin, Zusammenarbeit mit dem Bühnenbildner →Teo Otto. 1932/33 Oberspielleiter des Schauspiels an den Städtischen Bühnen Düsseldorf. 1933 Emigration über Frankreich in die Schweiz. Ab Herbst 1933 durch Vermittlung des Dramaturgen →Kurt Hirschfeld Engagement als Regisseur am →Schauspielhaus Zürich, 1965–67 dort auch Direktor. L. inszenierte in Zürich zahlreiche Werke von Shakespeare, Nestroy, Raimund und Schiller sowie unter anderem Friedrich Wolfs "Professor Mannheim" (Schweizer Erstaufführung 8.11.1934, zuvor hatte L. bereits am 25.7.1934 die Uraufführung in Tel Aviv unter dem Titel "Professor Mamlock" inszeniert), Else Lasker-Schülers "Arthur Aronymus und seine Väter" (Uraufführung 1936), Bruckners "Napoleon der Erste", Büchners "Dantons Tod", Goethes "Faust I" und "Faust II", →Bertolt Brechts "Mutter Courage und ihre Kinder", Aischylos’ "Orestie", →Georg Kaisers "Zweimal Amphitryon", Kraus’ "Die letzten Tage der Menschheit", Schwarz’ "Der Schatten", Faulkners "Requiem für eine Nonne" (Uraufführung 1955), Wilders "Alkestiade" (deutschsprachige Erstaufführung, zusammen mit der Uraufführung von "Die beschwipsten Schwestern", 1957), Anouilhs "Becket oder Die Ehre Gottes", Thomas Wolfes "Willkommen in Altamont"; die Uraufführungen von →Friedrich Dürrenmatts "Der Meteor", →Carl Zuckmayers "Der Kranichtanz" und →Max Frischs "Biografie. Ein Spiel", zudem Schillers "Die Jungfrau von Orleans" neben Brechts "Die heilige Johanna der Schlachthöfe". Ab 1934 auch Gastregisseur am Habimah-Theater Tel-Aviv, seit 1947 ständiger Gastregisseur am Burgtheater Wien (1964 Königsdramenzyklus von Shakespeare), seit 1949 Gast am Chamber-Theatre Tel-Aviv, seit 1954 an den Kammerspielen München sowie unter anderem an den Staatlichen Schauspielbühnen Berlin, am Düsseldorfer Schauspielhaus, an der Freien Volksbühne Berlin, am Staatstheater Wiesbaden, am Thalia-Theater und am Deutschen Schauspielhaus in Hamburg, am Theater in der Josefstadt Wien, am Hayuza-Theater Tokio, bei den Bregenzer und den Salzburger Festspielen (1966 Shakespeares "Ein Sommernachtstraum", 1969 Hofmannsthals "Jedermann", 1982 Beethovens "Fidelio"). Seit 1945 auch Opernregie am →Stadttheater Basel, am Stadttheater/→Opernhaus Zürich, in Düsseldorf, Frankfurt, Hamburg, Köln, London und Wien: Mozart-Zyklus in Frankfurt und Zürich, →Rolf Liebermanns "Die Schule der Frauen" (Deutsche Oper am Rhein Düsseldorf, 18.10.1957), an der Hamburgischen Staatsoper 1970 die Uraufführungen von Kreneks "Wenn Sardakai auf Reisen geht" und →Paul Burkhards "Ein Stern geht auf aus Jaakob". 1984 letzte Inszenierung: Esther Vilars "Die amerikanische Päpstin" (Schauspielhaus Zürich im →Theater am Hechtplatz, mit →Maria Becker). L.s "rationale Spielführung […] entwickelt[e] den Raum […] aus der Atmosphäre der Dichtung und ihrem symbolischen Hintergrund" (Günther Schoop) und war geprägt von musikalisch-rhythmischem Gefühl. L. war als Regisseur auch massgebend für den Schweizer Film der dreissiger und vierziger Jahre: unter anderem "Wachtmeister Studer", "Landammann Stauffacher", "Marie Louise", "Die letzte Chance", "Die Vier im Jeep". Diverse Hörspielarbeiten. 1963–65 war L. Leiter der Wiener Filmakademie, 1965–74 Lehrbeauftragter an der Universität Zürich, an der Volkshochschule und an der Eidgenössischen Technischen Hochschule Zürich; Lehrtätigkeit am Max-Reinhardt-Seminar Wien und am →Bühnenstudio Zürich. Eigene Werke: Shakespeares Königsdramen, 1962. Reden und Aufsätze, herausgegeben von Jauslin, Christian, 1972 [mit Inszenierungsverzeichnis].
Auszeichnungen
unter anderem
- diverse Filmpreise 1958 Josef-Kainz-Medaille der Stadt Wien,
- 1959 Titularprofessor, Republik Österreich,
- 1962 Ehrenkreuz für Kunst und Wissenschaft der Republik Österreich,
- 1965 Grillparzer-Ring,
- 1969 →Hans Reinhart-Ring der →SGTK,
- 1972 Ehrenmitglied des Wiener Burgtheaters,
- 1982 Raimund-Ring.
Literatur
- Schoop, Günther, Das Zürcher Schauspielhaus im zweiten Weltkrieg, 1957.
- Dumont, Hervé: L. L. und der Schweizer Film 1935–1953, 1981.
- Leiser, Erwin: L. L. "Du weisst ja nicht, wie es in mir schäumt", 1985 [mit Inszenierungsverzeichnis].
- L. L., Regisseur, 1902–1984. Eine Nachlasspräsentation, herausgegeben von der Akademie der Künste Berlin, 1990 [Ausstellungskatalog].
- Metzger, Nicole: "Alles in Szene setzen, nur sich selber nicht". Der Regisseur L. L., 2002.
Nachlass
- Archiv der Akademie der Künste, Berlin.
Autor: Christian Jauslin
Bibliografische Angaben zu diesem Artikel:
Jauslin, Christian: Leopold Lindtberg, in: Kotte, Andreas (Hg.): Theaterlexikon der Schweiz, Chronos Verlag Zürich 2005, Band 2, S. 1115–1116.