Horst Zankl

Aus Theaterlexikon - CH
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* 29.3.1944 Graz (A), † 4.12.1987 Wien (A).

1961–62 als Schauspieler und Regisseur Mitwirkung bei Lesungen und Theaterveranstaltungen des avantgardistischen Forums Stadtpark in Graz, dort Beginn der Zusammenarbeit mit dem Autor Wolfgang Bauer. Nach der Matura 1962–65 Regie- und Schauspielausbildung am Max-Reinhardt-Seminar in Wien. Nach einem halben Jahr als Regieassistent beim ORF ging Z. als Regie- und Dramaturgieassistent sowie als Schauspieler ans Landestheater Hannover (Intendant: Franz Reichert). 1967–71 wirkte er dort als Regisseur und Dramaturg und inszenierte unter anderem 1968 Horváths "Don Juan kommt aus dem Krieg", die Uraufführungen von Peter Weiss’ "Wie dem Herrn Mockinpott das Leiden ausgetrieben wird" und Bauers "Magic Afternoon" sowie 1969 die deutsche Erstaufführung von Bauers "Change". Daneben Gastverpflichtungen am Jungen Theater Göttingen (1967 Handkes "Publikumsbeschimpfung"), an den Städtischen Bühnen Nürnberg (1969 Pirandellos "So ist es – wie es Ihnen scheint"), an der Schaubühne am Halleschen Ufer in Berlin (1970 Horváths "Glaube Liebe Hoffnung") und am Deutschen Schauspielhaus in Hamburg (1971 Uraufführung von Bauers "Film und Frau" und deutsche Erstaufführung von dessen "Party for Six" im Malersaal). 1971–75 leitete Z. in der Nachfolge von →Felix Rellstab das →Theater am Neumarkt in Zürich, wo seine Eröffnungsinszenierung von Handkes "Ritt über den Bodensee" grossen Erfolg hatte und zum Berliner Theatertreffen eingeladen wurde. In den folgenden Jahren machte Z. das Theater am Neumarkt zu einer international renommierten, avantgardistischen Experimentierbühne. Seine Direktionszeit gilt als ein Höhepunkt in der Geschichte dieses Theaters. Präsentiert wurden Stücke von zeitgenössischen Dramatikern (mit einem Schwerpunkt auf österreichischen Autoren wie zum Beispiel Handke, Bauer, Gerhard Roth und H. C. Artmann), selten gespielte Werke etwa von Goethe, Wedekind und Ibsen, sowie einzelne Dramen von Schweizer Autoren (etwa Roland Merz und →Jakob Stutz). In Inszenierungen von Stücken von Karl Valentin, Nestroy, Horváth, Fleißer und Kroetz setzten sich Z. und sein Team kritisch mit dem Volksstück auseinander. Mit seiner Inszenierung von Horváths "Die Unbekannte aus der Seine" (1973) sowie seinen Horváth-Inszenierungen an anderen Theatern trug Z. wesentlich zu der damals einsetzenden Horváth-Renaissance auf deutschsprachigen Bühnen bei. Von den rund dreissig Produktionen seiner Direktionszeit inszenierte Z. fast die Hälfte, so etwa Aristophanes’ "Frauenvolksversammlung", Bauers "Party for Six" und "Film und Frau" (1972), Roths "Lichtenberg oder Die Unmöglichkeit der Naturwissenschaft" (1973), die Uraufführung von Handkes "Die Unvernünftigen sterben aus" (1974), Ibsens "Die Frau vom Meer" (1974) sowie Sergej Tretjakows "Brülle, China" in einer zweisprachigen Fassung und als Koproduktion mit dem →Théâtre mobile aus Genf (1975). Seine Inszenierung von Fred Raymonds Operette "Saison in Salzburg" (1972) war ein grosser Publikumserfolg und löste an deutschsprachigen Bühnen eine Welle von Operetteninszenierungen mit Schauspielerinnen und Schauspielern aus; Z. selbst inszenierte später Offenbachs "Pariser Leben" in Düsseldorf (1978). Neben Z. wirkten in seiner Direktionszeit als Regisseure unter anderen →Jürgen Flimm (1972 Schweizer Erstaufführung von Fleißers "Fegefeuer in Ingolstadt"), Jochen Neuhaus (1972 Schweizer Erstaufführung von Kroetz’ "Stallerhof"), Jan Grossmann (1973 drei Märchendramolette von →Robert Walser unter dem Titel "Alle gegen das Schloss"), Dieter Berner, →Felix Prader (1974 Horváths "Zur schönen Aussicht") und →Dieter Bitterli. Um eine "Demokratisierung des Arbeitsprozesses" zu erreichen, führte Z. am Theater am Neumarkt ein Modell zur Mitbestimmung des Ensembles ein. Zu diesem gehörten unter anderen die Dramaturgen →Herbert Gamper, →Claus Bremer und →Klaus Völker, der Produktionsleiter Andreas Hensel, der Bühnenbildner →Ambrosius Humm sowie die Schauspielerinnen und Schauspieler →Anneliese Betschart, →Maria Bill, Gerhard Dorfer, Tina Engel, Anna Henrix, Jörg Holm, →Michael Maassen, Horst Mendroch, Rolf Parton, Hildegard Pintgen, →Hertha Schell, →Ueli Schweizer, →Norbert Schwientek, →Peter Siegenthaler, Eckehard Volling, Renate Völkner und →Nikola Weisse. Ab 1975 wirkte Z. als freischaffender Regisseur, wobei die österreichische Dramatik ein Schwerpunkt seiner Tätigkeit blieb. Er wirkte unter anderem 1975–77 an den →Basler Theatern, wo er einen Karl-Valentin-Abend, Schnitzlers "Das weite Land", Ibsens "Rosmersholm", Per Olov Enquists "Die Nacht der Tribaden", die Uraufführung von Roths "Sehnsucht" und Strindbergs "Vater" in­szenierte und 1976 mit Richard Strauss’ "Ariadne auf Naxos" seine erste Opernregie übernahm. Daraufhin inszenierte er 1977 an der Pariser Oper (Direktion: →Rolf Liebermann) Mozarts "Die Zauberflöte" unter der musikalischen Leitung von Karl Böhm. Weitere Schauspielinszenierungen realisierte Z. an den Württembergischen Staatstheatern Stuttgart (zum Beispiel 1975 Horváths "Geschichten aus dem Wienerwald" und 1976 dessen "Zur schönen Aussicht"), an der Freien Volksbühne Berlin (1978 Uraufführung von Reinhard Baumgarts "Jettchen Geberts Geschichte"), am Düsseldorfer Schauspielhaus, am Burgtheater Wien (1979 Raimunds "Das Mädchen aus der Feenwelt oder Der Bauer als Millionär", 1980 Schnitzlers "Komödie der Verführung" und 1985 Botho Strauß’ "Der Park"), am Schauspielhaus Bochum und an den Bühnen der Stadt Bonn/am Schauspiel Bonn (unter anderem 1984 Jura Soyfers "Der Weltuntergang", 1985 Uraufführung von Jelineks "Burgtheater"). 1980/81 gehörte Z. unter der Direktion von Wilfried Minks und Johannes Schaaf als Hausregisseur zum Leitungsteam des Frankfurter Schauspiels, an dem er auch danach unter Adolf Dresen inszenierte. Ein besonderes Interesse Z.s galt dem Musiktheater, insbesondere der Barockoper. In der Zusammenarbeit mit dem Dirigenten →Nikolaus Harnoncourt und dem Bühnenbildner Erich Wonder entstanden an der Frankfurter Oper mit Händels "Giulio Cesare" (1978) und Rameaus "Castor et Pollux" (1980) Inszenierungen von Rang und "Modelle für den so kreativen wie historisch perspektivenreichen Umgang mit barockem Musiktheater". (Gerhard R. Koch)

Auszeichnungen

unter anderem

  • 1970 Förderungspreis des Niedersächsischen Kunstpreises.


Autor: Ute Kröger



Bibliografische Angaben zu diesem Artikel:

Kröger, Ute: Horst Zankl, in: Kotte, Andreas (Hg.): Theaterlexikon der Schweiz, Chronos Verlag Zürich 2005, Band 3, S. 2137–2138.

Normdaten

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