Gustav Hartung

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* 30.1.1887 Bartenstein (Bartoszyce, heute: PL), † 14.2.1946 Heidelberg (D), eigentlich Gustav Ludwig May, Sohn des Verlegers, Agenten und Theaterdirektors Edmund May. ∞ I. Alice Caroli, ∞ II. Karla von Unruh, ∞ III. Elisabeth Lennartz, Schauspielerin.

Gymnasium in Hannover und Berlin. Mitherausgeber des Berliner "Theater-Couriers", dann Ausbildung zum Schauspieler bei Max Reinhardt. 1913/14 Oberregisseur am Bremer Schauspielhaus, 1914–20 Regisseur und Dramaturg (ab 1918 Oberspielleiter) am Schauspielhaus/an den Vereinigten Stadttheatern Frankfurt am Main, stilistisch dem Expressionismus verpflichtet, Uraufführungen von Stücken Paul Kornfelds, Carl Sternheims und seines Schwagers Fritz von Unruh. 1920–22 Intendant sowie 1922–24 Generalintendant des Hessischen Landestheaters Darmstadt, Überwindung des Hoftheaterstils durch einen stark rhythmisierten, ekstatischen Schauspielstil und funktionelle oder konstruktivistische Bühnenausstattungen. 1924/25 Intendant des Schauspiels und Leiter der Schauspielschule an den Vereinigten Stadttheatern Köln. Ab 1925 Inszenierungen am Schauspielhaus Düsseldorf, am Deutschen Künstler-Theater und am Lessing-Theater Berlin. 1926 Gründung und bis 1930 Leitung der Heidelberger Schlossfestspiele. 1927–30 Direktor des Renaissance-Theaters Berlin (inszenierte unter anderem Bruckners "Krankheit der Jugend"), vermehrt auch psychologisch-realistische Inszenierungen. 1930/31 Gastregisseur am Deutschen Theater Berlin und am Lessing-Theater Berlin (Pirandellos "Heute abend wird aus dem Stegreif gespielt"). Ab 1931 erneut Generalintendant in Darmstadt, im Ensemble unter anderem →Ernst Ginsberg, →Karl Paryla, →Kurt Hirschfeld. Am 15./16.3.1933 Emigration in die Schweiz. H. bezog in einer Radioansprache ("Über die Situation der Theater im Dritten Reich", Landessender Beromünster, 3.4.1933) und 1934 in Protestbriefen unter anderem an Joseph Goebbels und den Schauspieler Heinrich George scharf Stellung gegen die Nationalsozialisten, insbesondere gegen den "Mordaufwiegler und Mordgesellen" Goebbels, zudem unterstützte er aktiv die Nobelpreiskampagne für Carl von Ossietzky. 1933 zunächst Gastregisseur am →Stadttheater Basel (Shakespeares "Was ihr wollt"), vergeblich bewarb sich H. dort um die Position des Oberregisseurs der Oper ab der Spielzeit 1933/34. 1933–35 Regisseur am →Schauspielhaus Zürich, inszenierte unter anderem Shakespeares "Mass für Mass" und "König Richard III.", die Uraufführung von Bruckners "Die Rassen", Schillers "Wilhelm Tell" und "Don Carlos", →Carl Zuckmayers "Katharina Knie" und Sophokles’ "König Ödipus". 1934 Wahl zum Direktor des →Stadttheaters Bern, auf Druck der Fremdenpolizei, des →Schweizerischen Schriftstellerverbands, des Schweizerischen Tonkünstlerverbands und der deutschen Gesandtschaft annulliert. Gastinszenierungen unter anderem in Brüssel und Prag. Ab 1937 "Oberregisseur für alle Kunstgattungen" am Stadttheater Basel, 1939 erzwungener Rücktritt wegen des in der Person H.s begründeten Boykotts des Theaters durch die nationalsozialistische Reichstheaterkammer. 1939/40 Gastregisseur am Stadttheater Basel, dort insgesamt rund dreissig Inszenierungen aller Sparten (Winsloes "Mädchen in Uniform", Verdis "Don Carlos", Mozarts "Die Zauberflöte", Shakespeares "Viel Lärm um nichts", Schillers "Don Carlos", Kleists "Das Käthchen von Heilbronn", Ibsens "Die Stützen der Gesellschaft", Čapeks "Die weisse Krankheit" mit H. selbst als Hofrat Dr. Sigelius, Offenbachs "Orpheus in der Unterwelt" sowie die Uraufführungen von →Hermann Kessers "Talleyrand und Napoleon", →Albert Steffens "Fahrt ins andere Land", →Robert Faesis "Der Magier" und →Ralph Benatzkys "Angielina"). Ab 1937 zugleich Leiter von Meisterkursen für Schauspiel am Konservatorium Basel; eine anonyme Denunziation führte 1943 wegen angeblicher Affären H.s mit Schauspielschülerinnen zur Demission und 1944 zur Verurteilung H.s zu acht Monaten Gefängnis bedingt, und: "da die Ausschaffung zur Zeit nicht tunlich erscheint, muss May bis auf weiteres interniert werden."1945 Rückkehr nach Deutschland, bis zu seinem Tod Leiter der Kammerspiele Heidelberg.

Literatur

  • Blubacher, Thomas: Befreiung von der Wirklichkeit? Das Schauspiel am Stadttheater Basel 1933–1945, 1995.


Autor: Thomas Blubacher



Bibliografische Angaben zu diesem Artikel:

Blubacher, Thomas: Gustav Hartung, in: Kotte, Andreas (Hg.): Theaterlexikon der Schweiz, Chronos Verlag Zürich 2005, Band 2, S. 800–801.

Normdaten

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