Lothar Kempter

Aus Theaterlexikon - CH
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* 5.2.1844 Lauingen (D), † 14.7.1918 Vitznau LU. Neffe des Augsburger Domkapellmeisters Karl K., Vater des Dirigenten und Musikpädagogen ­Friedrich Alexander Lothar K. und des Musikpädagogen Max K. ∞ I. 1871 Karoline Leonoff, Sängerin, ∞ II. 1899 Hedwig Ratzinger, Chorsängerin, ∞ III. 1910 Philo Jarno, Sängerin.

Nach Studien in Jurisprudenz musikalische Ausbildung an der Akademie der Tonkunst München (Ensemble bei Hans von Bülow, Komposition bei Josef Rheinberger, Chorgesang bei Franz Wüllner, Klavier bei Carl Bärmann). Engagements als Korrepetitor 1869–71 am Königlichen Hoftheater München, als zweiter Kapellmeister 1871/72 am Stadttheater Magdeburg und 1872–74 am Stadttheater Strassburg. 1874 zog K. nach Zürich, da seine erste Frau ans →Aktientheater engagiert worden war. An diesem Haus debütierte K. 1875 als zweiter Kapellmeister mit Donizettis "La Fille du régiment" (Titelpartie: Leonoff). Bereits 1877 wechselte er in die leitende Dirigentenposition, die er bis 1915 innehatte. Eine spezielle Affinität verband K. mit den Musikdramen →Richard Wagners: Am Aktientheater dirigierte er 1875 "Tannhäuser", 1876 "Lohengrin" sowie als Schweizer Erstaufführungen 1880 "Rienzi" und 1886 "Die Walküre". Zur Eröffnung des neuen →Stadttheaters Zürich am 1.10.1891 – das Aktientheater war in der Neujahrsnacht 1889/90 abgebrannt – leitete K. eine Aufführung des "Lohengrin" mit einem auf 48 Musiker verstärkten Orchester, am Vorabend war ein Festspiel mit Musik von K. auf einen Text von Carl Spitteler aufgeführt worden. Zielstrebig widmete sich K. weiterhin der Wagner-Pflege: 1892 folgten erstmals in Zürich "Tristan und Isolde" und "Die Meistersinger von Nürnberg", als Schweizer Erstaufführungen 1894 "Das Rheingold" und "Siegfried" sowie 1897 "Götterdämmerung". Im April 1898 leitete K. einen Wagner-Zyklus, der die Opern "Rienzi", "Der fliegende Holländer", "Tannhäuser", "Lohengrin", "Die Meistersinger von Nürnberg", "Tristan und Isolde" sowie erstmals den gesamten "Ring des Nibelungen" umfasste. Geschlossene "Ring"-Aufführungen leitete er wiederum 1900, 1901 und 1903–14 alljährlich im Frühjahr. Ein Höhepunkt in K.s Karriere war die Schweizer Erstaufführung des "Parsifal" (13.4.1913, Regie: →Alfred Reucker/→Hans Rogorsch), dem 1914 jene von Wagners Jugendoper "Die Feen" folgte, womit K. alle Werke des Bayreuther Meisters in Zürich zur Aufführung gebracht hatte. K. war jedoch nicht nur auf Wagners Werk spezialisiert. Zahlreiche Schweizer Erstaufführungen belegen seine Vielseitigkeit: 1884 →Hermann Goetz’ "Der Widerspenstigen Zähmung", 1892 Mascagnis "L’amico Fritz", 1894 Smetanas "Die verkaufte Braut" und 1896 dessen "Dalibor", 1897 Karl Goldmarks "Die Königin von Saba", 1898 Verdis "Otello" und 1901 dessen "Falstaff", 1902 Ignacy Jan Paderewskis "Manru", 1903 Massenets "Grisélidis" (deutschsprachige Erstaufführung), 1907 Richard Strauss’ "Salome" (mit einem auf 86 Musiker verstärkten Orchester) und 1912 dessen "Ariadne auf Naxos" (erste Fassung), 1907 d’Alberts "Tiefland", 1909 Puccinis "Madama Butterfly", 1910 →Pierre Maurices "Misé Brun", 1911 Humperdincks "Königskinder" und 1912 Berlioz’ "Benvenuto Cellini". Ausserdem leitete er die Uraufführungen von Franz Curtis "Das Rösli vom Säntis" (1898) und Georg Hae­sers "Hadlaub" (1903). 1899 dirigierte K. einen Mozart-Zyklus mit "Die Entführung aus dem Serail", "Le nozze di Figaro", "Don Giovanni", "Così fan tutte" (Zürcher Erstaufführung), "La clemenza di Tito" und "Die Zauberflöte". Weitere wichtige Zürcher Erstaufführungen waren Massenets "Werther" (1905), Puccinis "La Bohème" (1906) und "Tosca" (1908) sowie Richard Strauss’ "Der Rosenkavalier" (1911). Als Opernkomponist trat K. mit den Werken "Das Fest der Jugend" (Libretto: Hermann Stegemann, Uraufführung 12.12.1895, Regie: Adolf Uttner, musikalische Leitung: K.) und "Die Sansculottes" (Libretto: Hans Hochfeldt, Uraufführung 30.11.1900) hervor, deren Uraufführungen am Stadttheater Zürich er selbst dirigierte. Zudem schuf er die Musik zu Ricarda Huchs Märchenspiel "Dornröschen" (Uraufführung 10.11.1924 am →Schauspielhaus Zürich, Regie: →Cäsar von Arx, musikalische Leitung: →Hans Jelmoli), diverse Bühnenmusiken (etwa zu Goethes "Faust", Schillers "Die Jungfrau von Orléans" und "Wilhelm Tell") sowie Musik zu mehreren Festspielen (beispielsweise zu den Eidgenössischen Schützenfesten 1895 und 1907, zum Eidgenössischen Turnfest 1903 und zum Eidgenössischen Sängerfest 1905). Ausserdem Chorwerke, Kantaten, Lieder, Instrumentalwerke. 1878–1914 leitete K. – mit kurzen Unterbrüchen – die populären Tonhalle-Unterhaltungskonzerte. Er war auch als Kammermusiker tätig (Violoncello und Klavier) und unterrichtete ab 1886 Theorie und Komposition am Konservatorium Zürich, wo unter anderen →Arthur Honegger und →Othmar Schoeck zu seinen Schülern gehörten. K. war eine herausragende Persönlichkeit, die das Zürcher Musikleben während Jahrzehnten prägte. In Zürich erinnert die K.strasse an den Musiker.

Auszeichnungen

  • 1892 Ehrenbürgerrecht der Stadt Zürich,
  • 1911 Ehrendoktorat der philosophischen Fakultät der Universität Zürich.

Literatur

  • Conrad, Max: L. K., 1938.
  • Ludwig, Gernot: L. K., 1985.

Nachlass

  • Zentralbibliothek Zürich.


Autor: Paul Suter



Bibliografische Angaben zu diesem Artikel:

Suter, Paul: Lothar Kempter, in: Kotte, Andreas (Hg.): Theaterlexikon der Schweiz, Chronos Verlag Zürich 2005, Band 2, S. 986–987.

Normdaten

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