Theaterhochschule Zürich, Zürich ZH
Die T. ist neben dem Studienbereich Theater der →Hochschule für Musik und Theater Bern die einzige staatlich anerkannte Ausbildungsstätte für Sprechtheater der deutschsprachigen Schweiz mit dem Status einer Fachhochschule.
Die T. geht auf das 1937 von der Exilrussin und Gesangspädagogin Paulina Treichler gegründete "Bühnenstudio Zürich" zurück. Getragen wurde das Bühnenstudio von einer privatrechtlich organisierten Genossenschaft, deren Vorstand bereits ab 1939 →Oskar Wälterlin, damals Direktor des →Schauspielhauses Zürich, angehörte. 1937 nahm Treichler mit fünf Schülerinnen und Schülern den Unterricht in ihrer Wohnung im Haus "Lindenhof" an der Krautgartengasse 2 auf. 1939 belief sich die Zahl der Studierenden bereits auf 22. Die Ausbildung dauerte zwei Jahre. In den vierziger Jahren führte man den Versuch einer Abendschule durch, in den fünfziger Jahren konnte noch das erste Ausbildungsjahr wahlweise als Abendschule belegt werden. Zu den Lehrkräften unter Treichler, die selbst Sprechtechnik und Stimmbildung unterrichtete, zählten die Schauspielerinnen und Schauspieler →Mathilde Danegger, →Ernst Ginsberg, →Wolfgang Heinz, →Erwin Kalser, →Johannes Steiner und →Sigfrit Steiner sowie nach dem Zweiten Weltkrieg →Gustav Knuth und →Wilfried Seyferth, die Rollenstudium lehrten und fast alle am Schauspielhaus Zürich engagiert waren. →Margarethe Schell-von Noé und →Ellen Widmann unterrichteten Sprechtechnik und Stimmbildung, Treichlers Schwester Bella Reine und →Trudi Schoop Pantomime, →Gilbert Baur Tanz und →Suzanne Perrottet Gymnastik. Daneben wurden die Fächer Phonetik, Kostüm- und Bühnenbildkunde (durch →Pierre Gauchat und →Eduard Gunzinger), Fechten, Theatergeschichte und Dramaturgie (durch →Bernhard Diebold, Walter Keller und Eugen Müller) gelehrt. 1944 hatten bereits 22 Studierende (darunter drei ausländische) mit bestandener "Biga"-Prüfung (offizielle Prüfung des Schweizer Bundesamts für Industrie, Gewerbe und Arbeit) abgeschlossen. Studienarbeiten präsentierte das Bühnenstudio in der Regel im Schauspielhaus, später unter anderem im →Stadttheater Zürich, im kleinen Tonhallesaal, im Theatersaal zur Kaufleuten und im →Theater am Neumarkt. Als die Kulturstiftung Pro Helvetia 1941 die Gründung einer «Schweizerischen Theaterschule AG» anregte, sollte das Bühnenstudio zunächst nicht in diese neue Dachorganisation aufgenommen werden. Es setzte seine Interessen jedoch erfolgreich durch, wurde 1946 bei der Gründung der neuen Theaterschule zu deren Abteilung Schauspiel (neben den Abteilungen Oper, Theatertanz – →Schweizerische Theatertanzschule – und Volkstheater) und erhielt ab 1947 regelmässige Subventionen von Stadt und Kanton Zürich, wenn auch noch in bescheidenem Rahmen. 1955 konnte die Schule neue, nun ein paar Zimmer umfassende Räumlichkeiten im Parterre des Landolthauses am Hirschengraben 4 beziehen. Als Treichler 1960 aus gesundheitlichen Gründen zurücktrat, wurde →Felix Rellstab neuer Schulleiter. Er strukturierte die Schule vom genossenschaftlichen Kleinbetrieb um zu einer öffentlich anerkannten und mit beträchtlichen Mitteln subventionierten Ausbildungsstätte: Nachdem die Schweizerische Theaterschule AG Ende 1964 aufgelöst worden war, blieb das Bühnenstudio zwar nach wie vor genossenschaftlich organisiert, in seinem Vorstand waren jetzt aber Stadt und Kanton vertreten. 1966 konnte es die von der Stadt zur Verfügung gestellte Villa Tobler an der Winkelwiese 4 beziehen. Zum Lehrkörper der sechziger Jahre gehörten neben Rellstab →Peter Arens, →Hermann Brand, →Peter Ehrlich, →Gustav Knuth, →Alice Lach, →Peter Oehme, →Erwin Parker, →Reinhart Spörri und →Fred Tanner, die alle am Schauspielhaus Zürich tätig waren, sowie →Günther Ziessler (szenischer Unterricht), Ev Ehrle (Sprache und Bewegung), Augusta Schefer (Tanz), Max Lüem (Akrobatik) und Lilo Elias (Bewegungsschule und Jazztanz). Die Anzahl der Studierenden betrug jeweils rund vierzig. Seit 1969 – die Ausbildung dauerte mittlerweile drei Jahre – werden die Absolventinnen und Absolventen mit dem besten Diplomvorsprechen mit dem →Emil-Oprecht-Preis ausgezeichnet. Unter Rellstab erweiterte die Schule, seit dem Schuljahr 1972/73 «Schauspiel-Akademie Zürich» genannt, ihr Angebot um zwei Studiengänge: 1971 um Regie und 1973 um Theaterpädagogik (damals geleitet von →Josef Elias). Letzterer bewährte sich insbesondere durch das ab 1979 durchgeführte Projekt "Theater im Schulhaus". 1985 entstand daraus das Kinder- und Jugendtheater Zürich (→Theater an der Sihl), das der Schule seit 1987 als eigene Abteilung angegliedert ist. Ausserdem veranstaltete die Schauspiel-Akademie 1975–79 im Künstlerhaus Boswil jährlich einwöchige Workshops mit eingeladenen Theaterautorinnen und ‑autoren und ging anschliessend dazu über, Stückaufträge zu erteilen, um Theatertexte in Zusammenarbeit mit dem jeweiligen Autor zu entwickeln und aufzuführen (beispielsweise 1980 →Jürg Federspiels "Die Hunde von Saloniki", 1981 →Jürg Laederachs "Proper Operation", 1985 →Hansjörg Schneiders "Orpheus"). Auf der Suche nach einer Spielstätte, an der die Studierenden erste Bühnenerfahrungen sammeln und Diplomproduktionen zeigen konnten, kam Rellstab zunächst auf das Theater am Neumarkt zurück, das er 1966–71 leitete. 1976–89 bespielte die Schauspiel-Akademie das "Depot Tiefenbrunnen", ein ehemaliges Tramdepot, und 1990–94 das "Depot Hardturm" an der Hardturmstrasse 124. Zum fünfzigjährigen Jubiläum der Schule 1987 konnte Rellstab auf eine gelungene Aufbauarbeit zurückblicken. Unter seiner Leitung hatten rund 510 Schülerinnen und Schüler die Schule absolviert, und das Lehrerteam – nun ein halbes Dutzend angestellte Lehrpersonen und 20–25 Gastdozentinnen und ‑dozenten sowie Gastregisseurinnen und ‑regisseure – war durch neue Kräfte ergänzt worden, etwa →Paul Lohr, →Louis Naef, Ladislav Smoček, →Maja Stolle (Rollenstudium, Regie), Sonja Gericke, Paul Haizmann, →Marianne Kamm, Claudine Rajchman (Sprecherziehung), →Fumi Matsuda (Bewegungsschulung), Mark Webster (Alexander-Technik) und →René Quellet (Pantomime). Ende 1991 trat Rellstab zurück, sein Nachfolger wurde Anfang 1992 →Peter Danzeisen. Unter dessen Leitung bezog die Schule 1995 den neuen, gut ausgestatteten Theaterraum, 1997 auch die übrigen grosszügigen Schulräume in den sanierten Stallgebäuden der Kaserne an der Gessnerallee 9–13. 1997 erhielt sie den Status einer Fachhochschule und wurde 1999 mit dem neuen Namen "Theaterhochschule Zürich" als Departement Theater Teil der neuen Hochschule Musik und Theater Zürich (HMT). Ihr gehören auch die "Musikhochschule Winterthur Zürich" und die "Schweizerische Ballettberufsschule Zürich" (→SBBS) als Departemente Musik und Tanz an. Die Ausbildung an der T. ist nun in die Studiengänge "Darstellende Künstlerinnen und Künstler" (Schauspiel für Bühne und Film und neuerdings auch Figurenspiel) sowie "Leitende Künstlerinnen und Künstler" (Regie und Theaterpädagogik) gegliedert. Nach dem vier Semester dauernden Grundstudium werden die einzelnen Fachrichtungen im Hauptstudium (weitere vier Semester) gezielt unterrichtet und mit einer Diplomprüfung abgeschlossen. Anschliessend kann in einem Nachdiplomstudium ein Abschluss in einem weiteren Schwerpunkt erworben werden. Den Studiengang "Darstellende Künstlerinnen und Künstler" leitete zunächst Danzeisen allein, seit 2003 steht er dem Fachbereich Figurenspiel des Studiengangs und Mani Wintsch dem Fachbereich Schauspiel vor. Den Fachbereich Theaterpädagogik des Studiengangs "Leitende Künstlerinnen und Künstler" führt →Liliana Heimberg (bereits seit 1994), den Fachbereich Regie leitete 1999–2003 Marcelo Diaz (gleichzeitig Leiter des Theaters an der Sihl, zunächst noch Junges Theater Zürich genannt), seit 2003 →Stephan Müller. 2004 zählte die Theaterhochschule rund achtzig Studierende, die von vierzig Dozentinnen und Dozenten unterrichtet wurden. Szenisches Spiel und Improvisation lehrten in den neunziger Jahren unter anderen →Ueli Blum, →Niklaus Helbling, →Volker Hesse, →Charlotte Joss, Alfred Leder, →Hanspeter Müller und →René Scheibli. Weitere Lehrkräfte unterrichteten die klassischen Fächer Sprecherziehung, Stimmbildung und Gesang, Bewegung, Tanz, Akrobatik und Dramaturgie sowie die neueren Fächer Figurenspiel, Medien und Film, Feldenkrais, Alexander-Technik und Projektmanagement. Aufnahmeprüfungen finden zweimal jährlich statt. Zur Vorrunde (Workshop oder kurzer Vortest) treten jährlich rund 500 Bewerberinnen und Bewerber an, von denen rund 120 zur eigentlichen Aufnahmeprüfung zugelassen und davon wiederum rund 25 an die Schule aufgenommen werden. Seit die T. als Fachhochschule anerkannt ist, trägt der Kanton die Subventionen, mittlerweile rund 3,8 Millionen Franken jährlich, allein.
Auszeichnungen
- 2000 Ensemblepreis am Theatertreffen der deutschsprachigen Schauspielstudenten in Potsdam für die Produktion "Mauskröten" nach Jakob Michael Reinhold Lenz,
- 2003 Solopreis, erster Ensemblepreis und zweiter Publikumspreis am 14. Bundeswettbewerb zur Förderung des deutschsprachigen Schauspielnachwuchses der Bundesministerin für Bildung und Forschung der Bundesrepublik Deutschland für die Produktion von Büchners "Leonce und Lena".
Literatur
- 50 Jahre Schauspiel-Akademie Zürich, herausgegeben von der Genossenschaft Schauspiel-Akademie Zürich, 1987.
- Regli, Nora: Das Bühnenstudio Zürich, 2001 [Proseminararbeit am Institut für Theaterwissenschaft der Universität Bern].
- Müller, Tobi: New Speak oder alte Schule? Die Schauspiel(hoch)schulen in Zürich und Bern. In: Theater heute 2/2002.
Autor/Autorin: Dominique Spirgi/Christine Wyss
Bibliografische Angaben zu diesem Artikel:
Spirgi, Dominique/Wyss, Christine: Theaterhochschule Zürich, Zürich ZH, in: Kotte, Andreas (Hg.): Theaterlexikon der Schweiz, Chronos Verlag Zürich 2005, Band 3, S. 1871–1873.