Federico Emanuel Pfaffen

Aus Theaterlexikon - CH
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* 6.5.1948 Chur GR.

Nach abgebrochener Mittelschule zunächst Assistent bei einem Fotografen in Zürich, dann Beginn eines Architekturstudiums in München. 1973–76 Ausbildung zum Regisseur an der →Schauspiel-Akademie Zürich. Danach inszenierte er am →Theater für den Kanton Zürich (unter anderem 1976 Steinbecks "Von Mäusen und Menschen" sowie Kinderstücke), am →Städtebundtheater Biel-Solothurn (1978 →Bertolt Brechts "Mann ist Mann", 1979 die Uraufführung von →Maja Beutlers "Das blaue Gesetz"), am →Stadttheater St. Gallen (unter anderem 1980 Jarrys "Ubu in Ketten", Bühne: ebenfalls P.) und am →Theater an der Winkelwiese in Zürich (unter anderem 1982 Büchners "Leonce und Lena" und 1983 Ionescos "Delirium zu zweit"). P. schuf auch Szenenbilder für verschiedene Schweizer Spielfilme. Um seine eigenen Theaterkonzeptionen zu realisieren, gründete P. 1976 die →Komedie, eine freie Theatergruppe in Zürich, die er seitdem als Produzent und Regisseur leitet. 1976–80 inszenierte er mit der Komedie Freilichtspiele, beispielsweise auf der St. Peterhofstatt in Zürich, und zog mit der Truppe als Wandertheater mit selbst gebauten Wagen (auf denen aufklappbare Bühnen installiert waren) durch die Schweiz, Deutschland, Österreich und Frankreich. In den achtziger Jahren wandte er sich endgültig vom institutionalisierten Theater ab. Wieder mit festem Domizil in Zürich inszenierte er mit der Komedie an alternativen Spielorten (in der Regel in Zürich, beispielsweise in der →Roten Fabrik, in einem Container, in einem Pornokino) zahlreiche Schweizer Erstaufführungen, zum Beispiel 1982 Heiner Müllers "Hamletmaschine" und 1983 dessen "Medea das verkommene Ufer", 1984 Becketts "Rockaby" sowie 1987 dessen Einakter "Damals" und "Tritte". Unter anderem folgten in der Regie von P. Komedie-Produktionen von Stücken von Marguerite Duras, darunter 1986 "Hunger – Durst – müde" im Wartesaal des Zürcher Bahnhofs Stadelhofen und die Schweizer Erstaufführung von "Agatha" im Glaspavillon des alten botanischen Gartens (im Rahmen des →Zürcher Theaterspektakels). 1989 inszenierte P. in einer leer stehenden Spinnerei im Zürcher Oberland "Yvonne im Trieb-Werk" (nach Gombrowicz’ "Yvonne, Prinzessin von Burgund"), 1990 Büchners "Leonce und Lena" im Rechbergpark (im Rahmen des Zürcher Theaterspektakels), 1991 die Uraufführung von →Tim Krohns "Surfer" und Friedrich Glausers Text "Totenklage" (jeweils frühmorgens in einer ehemaligen Galerie am Bellevue in Zürich), 1993 die deutschsprachige Erstaufführung von Suzanne van Lohuizens "Fuga" sowie die Schweizer Erstaufführung von Lohuizens "Der Junge im Bus". 1994 spielte P. die Hauptrolle in Pirandellos "Der Mann mit der Blume im Mund" (in der Ladenpassage des Bahnhofs Stadelhofen, Regie: Margot Gödrös). Seit den neunziger Jahren zog sich P. von der Regiearbeit etwas zurück und betätigte sich vorwiegend als Produzent der Komedie. Seit Mitte der achtziger Jahre betrieb er verschiedene Varietéspielorte der Komedie, wo Kleinkunstgastspiele und Eigenproduktionen gezeigt sowie Projekte mit Kunstschaffenden verschiedener Sparten durchgeführt wurden: 1984–91 das so genannte Kulturschiff der Komedie, ein zu einem Varietétheater umgebautes ehemaliges Brauereischiff, das am Bellevue ankerte, ab 1994 während rund zwei Jahren das Variététheater "Ludwig 2" im Kellergewölbe an der Geigergasse 6 in Zürich und seit 1997 (gemeinsam mit Jeanine Röthlisberger) das von P. umgebaute Schiff "Herzbaracke". P.s vielschichtiges Schaffen wurde stark beeinflusst durch die Theaterschaffenden Alberto Colombaioni (Tradition der Commedia dell’Arte) und Manfred Wekwerth (langjähriger Regisseur am Berliner Ensemble, 1977–91 dessen Intendant), die Dramatiker Mrożek und Heiner Müller, den Philosophen Ludwig Wittgenstein sowie bildende Künstler aus dem Kanton Graubünden. Seine Theaterarbeit zeichnet sich insbesondere durch den experimentellen Umgang mit Raum und Zeit aus. Immer wieder hat er neue, unübliche Spielorte erschlossen oder Inszenierungen zu unterschiedlichsten Tageszeiten angesetzt; er umgab seine Produktionen mit einem jeweils spezifischen, geschlossenen Raum, um das Publikum von der Alltagswelt zu isolieren und dessen Wahrnehmung ganz auf das Theater­ereignis zu konzentrieren. Neben der eigenen, kompromisslosen künstlerischen Arbeit, die oft eine grosse finanzielle Belastung bedeutete, engagierte sich P. kulturpolitisch, um feste Subventionen für das freie Theater zu erreichen. 1988/89 war er Vorstandsmitglied der →VTS.

Auszeichnungen

Förderpreise

  • des Eidgenössischen Departements des Innern,
  • der Stanley Thomas Johnson Stiftung und
  • der Johann Wolfgang von Goethe-Stiftung.

Literatur

  • Theater ist ein Luxus. Gespräch mit F. E. P. In: Theatervisionen, 1988.
  • P., F. E.: 2 x 7 + 3 Jahre Komedie Freies Theater Zürich, 1989.


Autor/Autorin: Peter Arnold/Christine Wyss



Bibliografische Angaben zu diesem Artikel:

Arnold, Peter/Wyss, Christine: Federico Emanuel Pfaffen, in: Kotte, Andreas (Hg.): Theaterlexikon der Schweiz, Chronos Verlag Zürich 2005, Band 2, S. 1403–1404.

Normdaten

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